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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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gegenüber«, kam es prompt zurück. »Ja, unser Hausdrachen Marthe sorgt immer für schnellste Nachrichtenübermittlung. Insofern weiß ich bereits, daß Sie neben unserer heimlichen Nachtigall wohnen.«
    »Neben wem?« fragte Bruckner etwas konsterniert.
    »Neben Ilschen, schlicht ›Kurz‹ genannt«, erläuterte Dr. Rademacher schelmisch. »Das gestrenge, unnahbare Fräulein Doktor pflegt abends manchmal sehnsüchtige Weisen in den Äther zu schicken. Ist ein patenter Kerl, nur ein wenig … befangen und unsicher. Schade, aus der könnte man wirklich was machen. Man müßte beispielsweise nur – aber Verzeihung, ich langweile Sie.«
    »Nein, keineswegs! Auch ich finde die Kollegin nett und hilfsbereit. Vielleicht haben Sie wirklich recht. Sie müßte sich etwas … etwas modischer kleiden und überhaupt mehr Wert auf ihr Äußeres legen. Sie ist wirklich ein ganz aparter Typ, so … so …«
    »… slawisch«, vollendete Aribert Rademacher mit leuchtenden Augen.
    »Richtig! Sie verkörpert eine eigenartige Mischung. Man weiß nie genau, wie man mit ihr dran ist. Wenn sie lächelt, scheint alles Herbe, Distanzierte von ihr abzufallen. Sie …«
    »Sie hat das Lächeln einer Sphinx, das Gemüt eines Kindes, das Pflichtbewußtsein eines …«
    »Preußischen Generals!«
    »Wie bitte?«
    »Das Pflichtbewußtsein eines preußischen Generals«, wiederholte Dr. Bruckner belustigt, »und die Sanftmut einer Taube.«
    »Woher wissen Sie das alles?« forschte Rademacher mißtrauisch.
    Dann schauten sie sich an und – brachen in schallendes Gelächter aus. Jeder wußte, was der andere dachte, und vor allem, was er von seinem Gegenüber zu halten hatte. Sie mochten sich, und sie würden bestimmt gut miteinander auskommen. Der passionierte Pfeifenraucher Bruckner nahm sogar die angebotene Zigarette und setzte sie in Brand.
    »Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?« fragte Rademacher dann unvermittelt. »Hocken Sie heute Abend nicht hier herum. Morgen ist auch noch ein Tag.« Er ließ Dr. Bruckner gar nicht zu Wort kommen. »Ich kenne ein schickes Lokal. Hm … etwas für Feinschmecker sozusagen. Kommt nicht jeder rein.«
    »Und was soll ich da?«
    »Allen Kummer vergessen und – nein, unterbrechen Sie mich nicht, ich weiß ohnedies, was Sie sagen wollen – und richtig auftanken für das, was Ihnen hier noch alles bevorsteht. Also, es heißt ›Troika‹. Exquisit in jeder Beziehung, tolle Frauen, höchste Kreise … na, Sie verstehen schon!«
    »Kein Wort!«
    »Sie Witzbold!« In Rademachers blaugrauen Augen blitzte es spöttisch auf. »Haben Sie einen Wagen?«
    »Ja, wozu?«
    »Um das Taxi zu sparen, verehrter Herr Kollege! Passen Sie auf!« Er holte Bleistift und Rezeptblock aus der Tasche. Mit geschickter Hand skizzierte er einen Lageplan auf die Rückseite eines Zettels.
    »Ja, aber …«
    »Nichts aber! Hier haben Sie eine todsichere Fahranweisung. Am ›Troika‹ ist die Klingel sehr versteckt angebracht, rechts oben, etwa einen Meter von der Tür entfernt. Dreimal läuten! Das Losungswort heißt: ›Petersburger Nächte‹. Viel Spaß!«
    Er klopfte seinem Kollegen freundschaftlich auf die Schulter und wandte sich dann ab. Verdutzt starrte ihm Dr. Bruckner nach. Den Rezeptblockzettel hielt er krampfhaft fest.
    »Jetzt müssen Sie aber nach Hause gehen, Herr Kleiber.« Schwester Angelika legte dem Mann der Patientin leicht die Hand auf die Schulter. »Es ist schon zehn Uhr. Angehörige von Patienten dürfen nicht so lange hierbleiben. Bitte, ich bekomme sonst Ärger.«
    Müde blickte Albert Kleiber auf.
    »Ich kann meine Frau doch jetzt nicht verlassen, Schwester. Ich möchte wenigstens so lange hierbleiben, bis sie aufwacht. Und wenn sie …«
    Er brach mit einem Seufzer ab. Dann wandte er den Kopf und starrte auf die Blutkonserve, die neben dem Bett seiner Frau an einem Ständer hing. Ein langer Schlauch führte von dort zum Arm der Patientin. In der kleinen, durchsichtigen Glaskugel fiel langsam und stetig ein Blutstropfen nach dem anderen herab.
    »Gewiß, Herr Kleiber, ich kann Sie sehr gut verstehen. Aber die Vorschriften …«
    Die Kranke stöhnte leise. Sofort war Schwester Angelika an ihrer Seite und fühlte den Puls. Sie machte ein bedenkliches Gesicht.
    »Ist was?«
    »Der Kreislauf ist nicht in Ordnung. Ich werde ihr noch eine Medizin für die Nacht geben.«
    Albert Kleiber sprang auf und griff nach dem Arm der Schwester. In seiner Stimme lag nackte Angst. »Wird sie es

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