Schicksal in zarter Hand
Kindheit.
Franco hätte früher gewettet, dass sie immer Freunde bleiben würden, bis ins hohe Alter – wo sie dann gemeinsam an warmen Sommerabenden dem Sonnenuntergang zusahen und bei einem Glas köstlichen Weins Erinnerungen an die guten alten Zeiten austauschten …
Die Motoren wurden gestartet. Ihr Röhren klang wie Musik in Francos Ohren. Sie brachten das Boot zur Startlinie, weiß leuchtete es zwischen den bunten Konkurrenten. Sie alle lauerten förmlich an der Startlinie wie geduckte Drachen, die jeden Moment Feuer speiend lospreschen würden.
Plötzlich blickte Franco, von einem ebenso unerklärlichen wie unwiderstehlichen Drang getrieben, zu Marco. In dessen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, eine abgrundtiefe Verzweiflung, vernichtend und schmerzhaft wie ein Faustschlag.
„Tut mir leid, mein Freund“, sagte Marco heiser und wandte sich ab.
Die Motoren heulten auf, das Boot schoss vorwärts. Franco hatte alle Hände voll zu tun, es auf einer geraden Linie zu halten.
Was um Himmels willen tut Marco leid? fragte er sich, während er registrierte, wie schnell sie über die Wellen preschten.
Viel zu schnell.
Gefährlich schnell.
1. KAPITEL
Lexi saß in einer Besprechung im Büro ihres Chefs, als die Tür aufgerissen wurde und die neue, sehr junge Assistentin Suzy hereinplatzte.
„Tut mir leid, wenn ich störe“, entschuldige sie sich atemlos, „aber das musst du dir unbedingt ansehen, Lexi.“
Sie nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Alle sahen ihr erstaunt zu und fragten sich insgeheim, woher sie den Mut nahm, sich so aufzuführen.
„Ein Freund hat mir den Nachrichtenlink auf Twitter geschickt“, erklärte Suzy und zappte durch die Kanäle. „Ich finde solche Unfälle grässlich, deshalb hätte ich beinah ausgeschaltet, aber dann wurde dein Bild gezeigt, Lexi, und dein Name genannt.“
Auf dem Bildschirm sah man kristallklares türkisfarbenes Wasser, darüber den azurblauen wolkenlosen Himmel. Dann schoss ein gutes halbes Dutzend Powerboote wie Pfeile ins Bild und ließ weiß schäumendes Kielwasser hinter sich.
Lexi wusste sofort, worum es sich handelte, und stand unwillkürlich auf. Hochgeschwindigkeitsrennen waren für die Superreichen und absolut Furchtlosen, das ganze Schauspiel war eine Demonstration ihres ausschweifenden Lebensstils. Maßlos viel Geld, Macht und Selbstdarstellung, dazu ein betontes Geringschätzen von Gefahren, die den meisten Menschen heillosen Schrecken einjagten.
Als Lexi den Filmbericht verfolgte, schien es ihr, als verwandle sich ihr schlimmster Albtraum in Wirklichkeit. Sie wusste intuitiv, was als Nächstes kommen würde.
„Nein!“, flüsterte sie heiser. „Bitte schaltet es aus.“
Niemand hörte auf sie, und es war ohnehin schon zu spät. Der Bug des vorn liegenden Boots wurde von einer heftigen Bö angehoben. Sofort stieg die elegante Spitze wie ein riesiger weißer Vogel in die Luft.
Lexi hielt sich krampfhaft am Tisch fest, als sie zusehen musste, wie das Boot begann, eine seltsam anmutig wirkende Pirouette seitwärts zu drehen, als sei es nur ein Zirkustrick.
Doch das war es nicht. Für die zwei Männer im Cockpit hatte sich das Boot in eine tödliche Falle verwandelt. Während es sich immer wieder überschlug, wurden Wrackteile in alle Richtungen geschleudert.
„In jeder Saison kommt bei diesem höchst gefährlichen Sport mindestens ein Fahrer zu Tode“, erklärte ein Kommentator aus dem Off. „Wegen der rauen See hatte es heute Überlegungen gegeben, das Rennen abzusagen. Schließlich aber hatte sich die Rennleitung doch zum Start entschieden. Das führende Boot hatte Höchstgeschwindigkeit erreicht, als es von der Bö erfasst wurde. Francesco Tolle wurde aus dem Cockpit geschleudert.“
„Du lieber Himmel, das ist ja ein Körper“, rief jemand im Büro entsetzt.
„Sein Kopilot Marco Clemente war angeschnallt und geriet für einige Zeit unter Wasser, als das Boot kieloben landete. Taucher konnten ihn erst nach mehreren Minuten bergen. Beide Fahrer wurden mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Bislang unbestätigte Meldungen sagen, dass einer von beiden tot ist und der andere in äußerst kritischem Zustand.“
„Schnell, fangt sie auf“, hörte Lexi Bruce rufen. Dann gaben ihre Beine nach.
Jemand fasste sie am Arm und führte sie zu ihrem Stuhl zurück. Willenlos sank sie darauf.
„Drück ihr den Kopf zwischen die Knie, damit sie nicht ohnmächtig wird“, erklang eine andere Stimme, und Bruce
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