Schicksal in zarter Hand
seine Gefühle verdrängt, um sich nicht darum kümmern zu müssen.
Sie hatte sogar angefangen sich einzureden, eine engere Beziehung zwischen ihr und Bruce wäre vielleicht möglich. Schließlich arbeiteten sie doch hervorragend zusammen, und sie hatte ihn aufrichtig gern.
Aber diese Zuneigung allein genügte nicht. Das wusste sie. Und sie hatte es insgeheim schon immer gewusst. Nachdem sie gemerkt hatte, dass Bruce nicht mehr nur ihr väterlicher Freund und Ratgeber sein wollte, sondern ihr Liebhaber, hätte sie ihn anders behandeln müssen. Es war nicht fair von ihr gewesen, ihn glauben zu lassen, er könnte ihr jemals das bedeuten, was er sich erträumte.
Während sie sich den Mantel anzog, sagte sie sich, dass sie mit Bruce ein langes Gespräch würde führen müssen, sobald sie aus Italien zurück war.
Zuerst aber musste sie die Begegnung mit Franco hinter sich bringen. Ihren Ehemann wiedersehen, dessen Liebe sie vor Jahren verloren hatte.
Weshalb fuhr sie trotzdem zu ihm?
Lexi hatte noch keine Antwort auf diese so wichtige Frage gefunden, als sie nachmittags in Pisa ankam. In der Ankunftshalle des Flughafens sah sie sich um und entdeckte ein bekanntes Gesicht. Pietro, Salvatore Tolles Privatchauffeur, stand wartend an der Sperre.
Er und seine Frau Zeta, die als Haushälterin im Castello Monfalcone arbeitete, dem großartigen Familiensitz der Tolles, waren immer höflich zu ihr gewesen, und allein das hatte ihr schon gutgetan in einem Haus, wo alle anderen ihr mit Kälte und Abneigung begegneten.
Pietro kam auf sie zu und begrüßte sie ernst. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, Signora Tolle, wenn auch aus so traurigem Anlass.“
„Ja. Das finde ich auch“, stimmte sie zu.
Er nahm ihre Reisetasche und trug sie nach draußen.
Lexi folgte ihm. Zehn Minuten später saß sie in einer Limousine auf dem Weg nach Livorno und dachte daran, wie leicht es ihr damals gefallen war, dem luxuriösen Lebensstil der Tolles ohne jedes Bedauern den Rücken zu kehren.
Aber das war kein Wunder, denn sie hatte gelernt, alles an der Familie zu hassen. Livorno selbst hatte sie allerdings immer gern gemocht, und nun betrachtete sie die vertrauten Ansichten, während sie sich an ihr Leben hier erinnerte.
Es war bestimmt gewesen von Spannungen und mangelnder Anerkennung. Die Familie hatte ihr ständig das Gefühl gegeben, ein Eindringling und eine Außenseiterin zu sein. Das war schwer auszuhalten, wenn man erst neunzehn und schwanger war. Ihr Schwiegervater hatte ihren Anblick nicht ertragen – und sich das deutlich anmerken lassen.
Franco war ihr wie ein Adler vorgekommen, dem die Schwingen gestutzt und somit die Freiheit geraubt worden war. Er hatte nach jedem gehackt, der ihm zu nahe kam, und ständig Streit gesucht – vor allem mit seinem Vater. Denn er hasste dessen Einstellung zu Lexi, zu der Ehe mit ihr, zu dem Baby.
Und Franco hasste es, dass er sie nicht verteidigen konnte, denn er war sich nie sicher gewesen, ob sie ihn mit dem Baby nicht tatsächlich in die Ehefalle gelockt hatte, wie sein Vater gern behauptete.
Ja, Franco hat mich nur aus Pflichtgefühl geheiratet, damit das Baby und ich nicht auf der Straße stehen, dachte Lexi traurig.
Seine vorher so leidenschaftliche Liebe verwandelte sich in Abneigung. Lexi führte ein einsames Leben im Luxus – und verlor das Baby. Sie hatte damals das Gefühl gehabt, er sei darüber insgeheim erleichtert gewesen.
Die Ehe hätte nie geschlossen werden sollen, soviel war jedenfalls klar.
Als das Auto langsamer wurde, konzentrierte Lexi sich wieder auf ihre unmittelbare Umgebung und stellte fest, dass sie auf eine moderne, exklusive Privatklinik zufuhren – diejenige, in die man sie eingeliefert hatte, als sie die Fehlgeburt erlitt!
Ihr wurde eiskalt.
Am liebsten wäre sie nicht in dieses helle, luxuriöse, ruhige Krankenhaus gegangen, in dem sie schon so viel Kummer erlitten hatte. Doch sie riss sich zusammen und stieg aus.
„Signor Salvatore hat mir aufgetragen, Sie zu begleiten“, informierte Pietro sie und führte sie zum Eingang.
Ein Wachmann verlangte, ihren Pass zu sehen, obwohl Pietro vehement widersprach und sagte, er werde für sie bürgen. Während sie in der Handtasche nach dem Dokument suchte, wünschte sie, er würde sich nicht einmischen. Jede Verzögerung war ihr recht.
Ihr wurde das alles beinah zu viel. Franco brauchte sie doch nicht wirklich! Er hatte Familie und Freunde, die sich nur zu gern um sein Bett scharen würden. Wenn sie
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