Schicksal!
Klamottenladen sitze, meinen Hotdog esse und Orange Julius trinke, gehe ich einmal mehr das Sortiment meiner fehleranfälligen Menschen und ihres unvermeidbaren Scheiterns durch.
Da ist zum Beispiel dieser neunzehnjährige Sportler mit dem Handy am Ohr und dem GameStop-Beutel, der eine erfolgreiche Karriere als Infielder bei den Philadelphia Phillies haben könnte. Doch dazu wird es nicht kommen. In dreizehn Jahren ist er fett, glatzköpfig und arbeitslos und wird dreimal täglich vor seinem Tittenmagazin masturbieren.
Die einundzwanzigjährige asiatische Christin, die vor einem Modegeschäft Kunden bekehren will, wird mit dreißig den Mann ihrer Träume finden, mit fünfundvierzig bereits wieder geschieden sein und fortan mit Männern schlafen, die halb so alt sind wie sie.
Und der elfjährige Junge mit dem kurzen Haar und dem engelsgleichen Gesicht, der gerade einen schokoladenüberzogenen Donut verschlingt, könnte theoretisch ein wunderbarer Vater werden. Stattdessen wird er mit neunundzwanzig darüber nachdenken, seine fünfjährige Tochter zu missbrauchen.
In solchen Momenten wünsche ich mir,
Tod
und ich hätten ein besseres Verhältnis.
Klar, der Elfjährige ist nur ein Kind, aber immerhin könnte ich seiner Tochter das lebenslange Trauma und die Therapien ersparen, wenn ich
Tod
dazu bringen könnte, mir zu helfen. Was unmöglich ist. Denn das wäre ein Eingriff und damit ein definitives No-go. Von den kosmischen Verwicklungen, die die Nicht-Geburt seiner Tochter verursachen würde, mal ganz zu schweigen. Und außerdem:
Tod
und ich reden nicht miteinander. Tja, dann, weitermachen bitte …
Ich bleibe also weiterhin hier auf dieser Bank sitzen, kaue an meinem Hotdog und lasse die endlose Parade zukünftiger Sexualtäter an mir vorüberziehen.
Klar: Nicht jeder Mensch hat sexuelle Komplexe, Störungen oder anderweitige zweifelhafte Vorlieben, die nur darauf warten, befriedigt zu werden. Die meisten Amerikaner allerdings schon. Das liegt vermutlich daran, dass die Vereinigten Staaten Sex dämonisieren und sexuelle Energien unterdrücken. Ich persönlich bevorzuge da die Italiener und Franzosen. Für sie ist Sex einfach Teil ihrer Kultur.
Da wir gerade über Sex sprechen …
Vom anderen Ende der Mall, ungefähr auf halber Strecke zwischen mir und Macy’s, gleich hinter dem T-Mobile-Kiosk und mitten in dem beständigen Strom von Amerikanern, die mit ihrer eigenen Zukunft überfordert sind, bewegt sich ein roter Haarschopf auf mich zu. Zunächst hoffe ich noch, dass ich mich irre. Doch schließlich teilt sich die Menge wie von Zauberhand, und ich erkenne unter den roten Haaren das strahlende Lächeln von
Bestimmung.
Na großartig. Das ist genau das, was ich jetzt brauche, um mich aufzubauen. Die unsterbliche Verkörperung all dessen, was ich nicht bin. Was ich begehre. Was mir verwehrt bleibt.
Woran ich gerade denke?
An Abscheu.
An Verbitterung.
An einen bösartigen Tumor.
»Na? Wieder mal mit der Befriedigung fleischlicher Gelüste beschäftigt?«, fragt
Bestimmung,
setzt sich und schielt auf das Würstchen am Spieß in meiner Hand.
Um es auf den Punkt zu bringen:
Bestimmung
ist Nymphomanin.
Sie trägt ein rotes Tanktop, einen roten Ledermini, rote Fick-mich-Stiefel und ein nie verblassendes Lächeln. Sie hat immer gute Laune. Wieso sollte es auch anders sein?
Sie
muss ja schließlich nicht die Ewigkeit damit verbringen, sich mit Kinderschändern, Kaufsüchtigen und über fünfeinhalb Milliarden anderen Versagern zu beschäftigen, die ihre Scheißleben einfach nicht auf die Reihe kriegen.
Im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen denken, sind Bestimmung und Schicksal nicht das Gleiche. Eine Bestimmung kann niemandem aufgezwungen werden. Nur wenn Menschen in bestimmte Lebenslagen gedrängt werden, ist es ihr Schicksal – und das geht oft eine düstere Verbindung mit dem Ominösen, mit dem Unausweichlichen ein.
Sein Schicksal war besiegelt.
Eine schicksalhafte Krankheit.
Ein Schicksal, schlimmer als der Tod.
Mal ehrlich: Kann es überhaupt schlimmer werden, als auf der Hitliste der Schreckensvisionen sogar eine Stufe über
Tod
zu stehen?
Die Bestimmung hingegen hat eher die Natur einer Prophezeiung. Sie beinhaltet das Versprechen auf einen günstigen Ausgang und ist generell viel positiver besetzt.
Die beiden schienen geradezu füreinander bestimmt zu sein.
Sie war zu Höherem bestimmt.
Es war ihre Bestimmung.
»Teilst du dein Fleisch mit mir?«, fragt
Bestimmung
und strahlt dabei
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