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Schicksalsmord (German Edition)

Schicksalsmord (German Edition)

Titel: Schicksalsmord (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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endgültigen Verabschiedung erzählte. „All deine Sachen sind jetzt bei mir im Hotel“, fing ich vorsichtig an, „sag mir, falls du etwas brauchst.“
    Ihr Blick ging ins Leere, als habe sie mich nicht verstanden und nur am leichten Zittern ihrer Unterlippe erkannte ich, dass es sich anders verhielt.
    „Professor Rittweger wünscht dir Glück und Kraft“, fügte ich leise hinzu.
    Da hatte sich Lydia bereits gefangen. Anmutig richtete sie sich auf und sprach die folgenden Worte so akzentuiert, als wolle sie die uns überwachende Beamtin zum Mitschreiben auffordern: „Ich bin Professor Rittweger sehr dankbar für die vorübergehende Aufnahme. Hoffentlich hat er durch mich keine Unannehmlichkeiten gehabt, das würde ich sehr bedauern.“
    Die Selbstbeherrschung meiner Schwester hatte für mich in manchen Situationen schon immer etwas Unheimliches gehabt. Dies war wieder einmal so ein Moment. Und genau von diesem Moment an begann Lydias neue Rolle: Sie wurde mit Leib und Seele Dietrichs Witwe. Von nun an trug sie nur noch Schwarz. Sie gab sich bedrückt und sprach von der guten Zeit, die sie mit Dietrich gehabt habe. Sie dachte laut darüber nach, ob die Ehe nicht doch noch zu retten gewesen wäre.
    Ich fand ihr Verhalten aufgesetzt und peinlich, wurde dann aber wieder von Unsicherheit befallen: Warum sollte Lydia es nicht ehrlich meinen? Es war doch möglich, dass der feige Abgang ihres letzten Liebhabers Dietrichs Qualitäten plötzlich wieder in einem ganz neuen Licht erstrahlen ließ.
    Lydia begann sich Gedanken um die Beerdigung zu machen, obwohl Dietrichs Leichnahm noch nicht zur Bestattung freigegeben war. Vermutlich war es für ihr emotionales Gleichgewicht von Bedeutung, sich auszumalen, wie sie, deren Unschuld dann inzwischen erwiesen wäre, hoch erhobenen Hauptes ihren Gatten zu Grabe tragen würde.
    Meine Sorge um sie wuchs mit jedem Besuch bei ihr, je mehr ich den Eindruck gewann, dass sie zunehmend den Bezug zur Realität verlor. Nur um sie nicht aufzuregen, ging ich auf all ihre Forderungen ein. Sie verlangte von mir, ihr schwarze Kleidungsstücke zu kaufen, von deren Schnitt und Qualität sie genaue Vorstellungen hatte.
    „Die Reporter werden sich bei meiner Entlassung wie Geier auf mich stürzen“, sagte sie. „Ich will dann entsprechend gekleidet sein.“
    Lydia wusste genau, wie verhasst mir der Kauf von Bekleidung war. Alles was ich brauchte, Jeans und schlichte Shirts, ließ ich mir von Versandhäusern schicken. Seit Jahren hatte ich kein Konfektionsgeschäft betreten und kannte den Grund meiner Abneigung nur zu genau. Zwei Mal in meinem Leben hatte ich mit Freude und Ausdauer eine Garderobe für mich ausgewählt, und beide Male endete es mit einem Fiasko. Mein Tanzstundenballkleid hatte ich an dem ersehnten Abend, den ich statt im festlich geschmückten Ballsall heulend und einsam auf meinem Zimmer verbrachte, vor Verzweiflung mit der Schere zerstückelt und dafür von meiner aufgebrachten Mutter hinterher noch Ohrfeigen kassiert.
    Mein Brautkleid wurde von mir am Tag nach der Beerdigung meines Verlobten in den Müllcontainer gestopft. Mutter habe ich vorgelogen, ich hätte es zum An- und Verkauf gebracht, doch obwohl ich nicht abergläubisch bin, wollte ich keiner anderen Braut zumuten, ein Kleid zu tragen, an dem so viel Unglück und Tränen klebten.
    Lydia hingegen kann Stunden mit Auswählen und Anprobieren zubringen und selbst jetzt kannte ihre Detailbesessenheit keine Grenzen. Ich könnte ihr schon einmal schwarze Uhrenarmbänder in verschiedenen Breiten und Qualitäten besorgen, forderte sie mich auf. Dieser Tick von ihr nervte mich besonders. Begonnen hatte es in einem Sommer in unserer Kindheit, als wir beide je ein Set geschenkt bekamen, das aus einer billigen Uhr und fünf verschiedenfarbigen Armbändern bestand. Mir war das Wechseln der Bänder zu mühselig gewesen, doch Lydia machte einen regelrechten Kult daraus. Sie gab das nie wieder auf, und selbst während ihrer Ehe mit Dietrich, als sie teure Markenuhren zu tragen begann, entwertete sie die noch mit ihren bunten Armbändern, von denen sie inzwischen ein ganzes Warenlager besitzen musste.
    Natürlich erfüllte ich ihren Wunsch gewissenhaft. Im Uhrengeschäft wurde ich plötzlich von einer eigenartigen Unruhe befallen, eine Erinnerung versuchte mit aller Macht an die Oberfläche meines Bewusstseins zu drängen. Kurz bevor ich sie fassen konnte, sprach mich die Verkäuferin an und zerriss so den hauchdünnen Faden, der mich

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