Schicksalsmord (German Edition)
durch die totale Abschottung ihres Privatlebens sicher gefühlt haben.“
„Wie lange ist das jetzt her?“, fragte Dr. Hoffmann.
Ich musste nicht lange nachdenken: „Sieben Jahre.“
„So lange schon! Und da glauben Sie, dass die Frau immer noch auf Rache sinnt?“
Ich sah meinen Anwalt mitleidig an. Er mochte ein kluger Kopf sein, doch von der weiblichen Psyche verstand er offenbar nicht viel. Jedenfalls nicht, was die unglaubliche Überlebensfähigkeit von Rachegelüsten betraf.
Er deutete meinen Blick richtig. „Also gut“, sagte er, „ich werde mich darum kümmern. Ich hoffe, Sie haben es sich gut überlegt.“
Oh ja, das hatte ich. Immer wieder waren meine Gedanken um die Ereignisse jenes heißen Sommers vor sieben Jahren gekreist, in dem sich so viel ereignet hatte: Ich arbeitete seit knapp einem Jahr in der Kanzlei von Dr. Tanner, als Jutta Milius als neue Referendarin zu uns kam. Sie war ein absolut verrücktes Huhn mit Ökotick, eine Karikatur von einer Grünen: Birkenstocklatschen, ausgeleierte Pullover und Müsli zum Frühstück. Anfangs ließ ich sie einfach links liegen, doch dann bemerkte ich mit Unbehagen eine wachsende Sympathie zwischen Fräulein Helmchen und ihr. Irgendwie passten sie ja auch zueinander. Fräulein Helmchen war eine typische graue Maus, die ebenfalls nichts von weiblichem Chic verstand, und außerdem pflegte sie ständig irgendwelches Grünzeug, die Kanzlei sah schon aus wie ein Gewächshaus. Besonders störend fand ich ihre Angewohnheit, mickrige Senker in Flaschen und Konservengläsern zu kultivieren, die sie auf den Fensterbrettern platzierte. Einfach unmöglich sah das aus. Geäußert hätte ich das aber nie, denn Fräulein Helmchen genoss Dr. Tanners absolutes Vertrauen und hatte dadurch eine gewisse Macht. Meine Versuche, mich mit ihr gutzustellen, fanden keine besonders lebhafte Resonanz, was vermutlich an ihrem Misstrauen lag. Alte Jungfern sind bekanntlich immer ein bisschen wunderlich, und sie war außerdem zweifelsfrei hoffnungslos in Dr. Tanner verliebt. Dass er sichtlich von mir gefesselt war, erregte zwangsläufig ihre Eifersucht, doch ich vermied tunlichst alles, was sie zusätzlich provozieren könnte. Um sie sanft zu stimmen, lobte ich sogar ihre hässlichen Pflanzen.
Ihre plötzliche Nähe zu Jutta Milius empfand ich als Gefahr, ich mag es generell nicht, wenn in meiner Umgebung Koalitionen geschmiedet und dann eventuell hinter meinem Rücken Informationen ausgetauscht werden. Also schloss ich mich nun ebenfalls enger an Jutta an und so kam es, dass wir uns eines Tages in der Mittagspause zu dritt auf dem Wege zu Juttas vorübergehendem Domizil befanden. Etwas ganz Tolles, Ungewöhnliches, Einmaliges habe sie für ein halbes Jahr anmieten können, hatte sie uns neugierig gemacht. Es sei von der Kanzlei aus gut zu Fuß zu erreichen, ein wichtiges Kriterium für sie, da sie kein Auto besitze. Wir müssten es uns unbedingt ansehen.
Sie führte uns in eine kleine Sackgasse, die an einer Wiese endete. Das letzte Grundstück lag ein wenig hinter der Häuserfront und war nicht mehr an die gepflasterte Straße angeschlossen. Es war so dicht bewachsen, dass es unbebaut erschien. Hinter Jutta her bahnten wir uns den Weg durch Büsche und Gestrüpp, bis wir plötzlich vor einer massiven Finnhütte standen. Sie wirkte nicht sonderlich gepflegt und das ganze Grundstück machte im trüben Licht des verregneten Tages einen düsteren Eindruck, doch Jutta platzte fast vor Stolz. „Unten Küche und Dusche, oben ein geräumiges Zimmer, was brauche ich mehr!“ sagte sie. „Und rundum herrlich urwüchsige, unberührte Natur.“ Jutta begann uns nun auf alle möglichen Pflanzen hinzuweisen, die offenbar selten waren und von denen ich noch nie gehört hatte. Fräulein Helmchen stimmte in den Jubel darüber ein und ich entschuldigte mich achselzuckend mit meinem mangelnden Talent fürs Gärtnern.
Die Beiden glaubten wohl, ich würde mich langweilen, in Wahrheit war ich total fasziniert von dem Grundstück, wenn auch aus anderen Gründen. Ein alter Kindheitstraum schien auferstanden zu sein, Gefühle von Glück, Geborgenheit und stillem Triumph meldeten sich zurück. Dies war sie: Die Zuflucht meiner Kindheit, der Ort meiner Sehnsucht, der mir so fehlte.
„Leider ist es nur für ein paar Monate.“ hörte ich Jutta sagen und in mir flackerte der irrsinnige Wunsch auf, dieses Grundstück für mich zu erwerben, der sich auch in den kommenden Tagen und Wochen nicht
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