Schicksalsmord (German Edition)
wie möglich aus. Je stärker du eine Geschichte ausschmückst, um so unglaubwürdiger wird sie.“ An Fräulein Helmchens mitleidigem Blick erkannte ich, dass sie mir kein Wort abnahm. „Und ich verbitte mir in Zukunft prinzipiell jede Einmischung in mein Privatleben!“, setzte ich dadurch verunsichert mit ziemlicher Schärfe hinzu.
Fräulein Helmchen nickte mir zum Zeichen des Einverständnisses kühl zu, und von da an war das Klima zwischen uns frostig. Obwohl sie mich betont korrekt behandelte, fürchtete ich sie von nun an. Niemand macht sich solche Mühe, die Geheimnisse anderer auszuforschen, wenn er nichts damit im Schilde führt. Ich war mir sicher, dass sie mich aus der Kanzlei ekeln wollte und ich ihr dabei zuvorkommen müsste.
Leider wusste ich fast nichts Persönliches über sie, und vorsichtige Nachfragen unter den Kolleginnen brachten keine brauchbaren Resultate. Dumm war die Helmchen nicht, mit ihrer Verschlossenheit schien sie einen undurchdringlichen Schutzwall um sich errichtet zu haben. Mir fehlte jeder Anhaltspunkt und es war ein absoluter Schuss ins Blaue, mit dem ich schließlich einen Volltreffer landete.
Eines Tages besorgte ich in einer abgelegenen Gärtnerei, die ich nie zuvor betreten hatte und an der mich mein Weg zufällig vorbeiführte, Blumen für einen Geburtstag. Der Name der Gärtnerei weckte eine Erinnerung in mir, Fräulein Helmchen hatte ihn einmal im Gespräch erwähnt. Ganz beiläufig erzählte ich der dicklichen, gutmütig wirkenden Angstellten, die gerade meinen Strauß zusammenstellte, eine Kollegin habe mir ihre Gärtnerei empfohlen. Ob sie sie wohl kenne?
Die Frau wurde richtig lebhaft: Aber sicher kenne sie Fräulein Helmchen. So eine gute und langjährige Kundin! Und sie verstehe ja so viel von Pflanzen!
Ich konnte sie kaum bremsen, wagte aber, erfreut über ihre Redseligkeit, einen weiteren Vorstoß. Ich hätte da gerade das Problem im Auftrag aller Kollegen ein Geschenk für Fräulein Helmchen besorgen zu müssen und wisse leider so wenig über ihre Interessen – von Pflanzen mal abgsehen. Diesmal solle es nämlich ausnahmsweise etwas anderes sein. Sonst würden wir in solchen Fällen immer die Angehörigen befragen, doch Fräulein Helmchen lebe ja leider allein.
Mit vor Anstrengung gerunzelter Stirn versuchte die Gärtnerin mir zu helfen, weit davon entfernt, das geringste Misstrauen zu entwickeln. „Aber dann fragen Sie doch Frau Michaelis, ihre Freundin!“, schlug sie mir schließlich strahlend vor.
„Bleib ruhig“, sagte ich meinem plötzlich wild klopfenden Herzen, „den Namen gibt es öfter.“ Doch wenig später hatte ich mit Nachdruck bestätigt bekommen, dass es sich sowohl um die Exfrau unseres wichtigsten Mandanten, als auch um eine wirklich sehr enge Freundin von Fräulein Helmchen handele.
Der Rest war einfach zu bewerkstelligen. Ohne Probleme kopierte ich die Akten des Mandanten, und schickte sie der Exfrau, deren Anschrift sich in unseren Unterlagen befand, anonym zu. Dann wartete ich in Ruhe den Ausbruch des Skandals ab, zeigte mich wie alle anderen erst ratlos und dann tief betroffen, als das Bauernopfer Fräulein Helmchen gebrochen ihren Arbeitsplatz räumte. Innerlich empfand ich jedoch ein heißes Triumphgefühl. Ich hatte gewonnen und die Feindin aus dem Felde geschlagen.
Vielleicht hätte es Fräulein Helmchen Genugtuung bereitet, wenn sie erfahren hätte, in welchem Fiasko meine Beziehung mit Friedhelm endete. Auf meine beiläufig und ohne größere emotionale Beteiligung geäußerte Frage, wie es mit uns weitergehen solle, hatte er nach einem kurzen Moment verblüfften Schweigens mit brüllendem Gelächter geantwortet. Was ich denn erwarten würde, gluckste er hervor, einen Heiratsantrag etwa? Er sei glücklich von einer Frau geschieden, die ihm regelmäßig Hörner aufgesetzt habe, fuhr er dann etwas ruhiger fort. Ob ich etwa glaube, er würde nun auf eine hereinfallen, die sich dadurch empfehle, dass sie ihren Mann nicht nur äußerst geschickt betrüge, sondern zu diesem Zwecke sogar ein regelrechtes Liebesnest unterhalte? Er lachte noch spöttisch, als er unmittelbar darauf von mir aus diesem Liebesnest geworfen wurde. Ich kochte vor Wut, aber eine nützliche Lektion hatte ich trotzdem von ihm gelernt. Weder Holger noch Roland haben je von der Existenz meiner Zuflucht erfahren.
Ulrike:
Inzwischen war es April geworden, doch es lag kein Frühling in der Luft. Der milde, trübe Winter, der keiner gewesen war, setzte sich
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