Schicksalsmord (German Edition)
sich nicht in der Lage gefühlt, zu arbeiten und sich um seine damals gerademal einjährige Tochter Julia zu kümmern. Glücklicherweise hatten seine kinderlose Schwester und ihr Ehemann Julia aufgenommen. Das Ehepaar und Peter bewohnten je eine Doppelhaushälfte an der Ostseeküste. Julia wusste, dass Peter ihr Vater war, sah aber auch seine Schwester und den Schwager als ihre Eltern an. Es war ein glückliches Arrangement, das Peter keinesfalls auflösen wollte, deshalb betonte er gleich seine Ortsgebundenheit. Er sei jedoch bereit für eine neue Partnerschaft und Julia für eine zweite Mutti.
Ich empfand Sympathie und wachsende Zuneigung zu Peter, wollte aber nichts überstürzen. Die Entscheidung fiel in meinem Urlaub, den ich auf Peters Einladung in seinem wunderschönen, reedgedeckten Haus mit Meerblick verbrachte. Es war nicht nur seine gleichbleibend liebevolle Zuwendung, es war ebenso die Beziehung zu seiner Tochter und zu Schwester und Schwager, die mich überzeugte. Selten habe ich Menschen so einträchtig und harmonisch zusammenleben sehen, selten wurde ich so selbstverständlich und herzlich aufgenommen. Wir begannen uns bereits als eine Familie zu fühlen, und am Abend meines letzten Urlaubstages feierten wir am Strand fröhlich und spontan Peters und meine Verlobung.
Mein Umfeld reagierte überwiegend positiv. Die Kolleginnen bedauerten zwar, dass ich sie verlassen würde, freuten sich aber ehrlich über mein Glück. Martina war ganz begeistert und stellte sich schon die Ostseeurlaube vor, die sie bei mir zu verbringen gedachte. Lydia verzog bedenklich das Gesicht, doch Thomas bestärkte mich in meinem Entschluss. Er stand unmittelbar vor seinem Studienabschluss und würde ab September in Bödersbach einen Verwaltungsposten in der Kurklinik übernehmen. „Du warst lange genug für deine Eltern da“, sagte er. „Jetzt sind wir mal dran. Lydia und ich werden uns um Mutter kümmern, wenn du fortziehst.“ Nur diese Aussicht war es, die Mutter einigermaßen aussöhnte. Sie war ansonsten ziemlich pikiert, vor allem, weil ich ihr Peter noch nicht vorgestellt hatte. Doch ich hätte ihre Einmischung nicht ertragen, schon gar nicht zu einem Zeitpunkt, zu dem überhaupt noch nichts entschieden war. Natürlich nörgelte sie herum und brachte allerlei Einwände hervor, ich war mir jedoch sicher, das Richtige zu tun. Ende Juli würden Peter und ich heiraten, im August zögen Lydia und Thomas nach Bödersbach zurück und Anfang September würde ich zu meinem Mann ziehen.
Anfang Juli stellte ich Peter der Familie vor. Es war am Vormittag eines unerträglich heißen Tages, als wir uns im Garten unseres Hauses in Bödersbach versammelten. Lydia hatte ein Sektfrühstück vorgeschlagen, was bei den herrschenden Temperaturen wirklich keine gute Idee war. Die Stimmung war merkwürdig gereizt. Lydia war bereits sehr braungebrannt, um das zu unterstreichen, trug sie ein giftgrünes T-Shirt und einen Silberarmreifen mit einem großen grünen Stein, unter dem sich das Zifferblatt einer Uhr verbarg. Lydia sah gut aus, doch sie war unausstehlich an diesem Morgen. In beleidigender Weise stichelte sie gegen Peter, stellte ihn als Invaliden hin, der sich nur mit einer eigenen Krankenschwester zu versorgen gedachte.
Peter blieb erstaunlich ruhig und parierte ihre Ausfälle souverän. Er fragte sie sinngemäß, was sie denn persönlich derart verbittert habe, dass sie an die Ehe aus Liebe offenbar nicht glaube. Lydia schwieg für den Rest des Vormittags beleidigt, dafür war Mutter um so quengeliger. Eigentlich hatte ich geplant, am Nachmittag mit Peter in die Kreisstadt zu fahren und mein Hochzeitskleid auszusuchen. Mutter war strikt dagegen. Es bringe Unglück, wenn der Bräutigam das Kleid vor der Hochzeit sehe, sie würde mich beim Einkauf begleiten. Peter stimmte gutmütig zu und erklärte sich sogar bereit, in der Zwischenzeit einen Strauch zu beschneiden, der durch seine raumgreifenden Äste bereits für Streit mit der Nachbarin gesorgt hatte. Diese Zusage versöhnte Mutter dann vollends. Zum Glück ließ sich Lydia nicht von ihr überreden, uns auf der Einkaufstour zu begleiten. Lydias und mein Geschmack sind nun mal auf Kollisionskurs und da Mutter stets auf Lydias Seite ist, hätte ich einen schweren Stand gehabt. Doch Lydia und Thomas waren für den Nachmittag bei Freunden eingeladen.
Als Mutter und ich am Nachmittag das Haus verließen, herrschte eine unerträgliche Schwüle, die sich wenig später in einem
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