Schicksalsmord (German Edition)
mich nicht verstellen musste. Meine Beziehung zu Max hatte weder Zweck noch Ziel. Sie existierte nur in den Grenzen dieses verwilderten Grundstücks. Nie haben wir uns an einem anderen Ort getroffen, und sind einander bei zufälligen Begegnungen ausgewichen wie Fremde. Ich wusste, dass Max verheiratet war, als Hausmeister an einer Gesamtschule arbeitete, und dass er sein Gehalt vermutlich mit Kleinkriminalität aufbesserte, es störte mich jedoch überhaupt nicht. Nicht im Traum wäre ich auf die Idee gekommen, mit ihm leben zu wollen. Er hatte andere Frauen neben mir, so wie ich andere Männer hatte, wir sprachen äußerst offen darüber und empfanden das als erregend.
Nur wenn ich ernsthaft in einen anderen Mann verliebt war, ruhten meine Kontakte zu Max. Ich bin nicht stolz auf meine Affären, doch meine Ehe mit Thomas Gondschar, meinem ersten Ehemann, war zu dem Zeitpunkt nur noch eine Farce und ich war innerlich nur zu bereit für eine neue Bindung.
Dabei unterliefen mir natürlich Fehler, es gab Episoden, die ich am liebsten aus meinem Gedächtnis tilgen würde. Friedhelm war so eine Episode, ich hätte mich niemals mit ihm einlassen dürfen.
Unsere Kanzlei vertrat Friedhelm in einem Kunstfehlerprozess, er war ein gefragter Schönheitschirurg mit eigener Praxis. Gleich bei seinem ersten Termin bei uns begann er um mich herumzuscharwenzeln, was sich in der Folgezeit noch verstärkte. Obwohl er Geld wie Heu hatte, geschieden war und gar nicht mal so schlecht aussah, konnte ich mich nicht recht für ihn erwärmen. Irgendetwas an seinem Auftreten stieß mich ab, er war ziemlich distanzlos und konnte regelrecht ordinär werden. Ich hätte meinem Instinkt vertrauen und ihn abweisen sollen. Doch schließlich weckte die Einladung zu einem exklusiven Abendessen meine Neugier und ich ließ mich von ihm ausführen.
Wegen Thomas musste ich mir keine Sorgen machen, er akzeptierte, dass ich regelmäßig „mit Freundinnen“ ausging und auch des Öfteren bei ihnen übernachtete. Es wäre ihm niemals eingefallen das nachzuprüfen. Hätte ich noch das geringste Interesse an ihm gehabt, wäre seine Ignoranz fast schon kränkend gewesen. So aber genoss ich meine Freiheit.
Friedhelm kam sehr schnell zur Sache und wollte nach dem Abendessen „noch einen Kaffee mit mir trinken“. Ich hatte leider zu viel Alkohol getrunken, nur damit kann ich mir erklären, dass ich ihn mit in meine Zuflucht nahm, deren Wohnraum ich mit einer Fülle von Dekostoffen, Kissen und Duftkerzen inzwischen in ein kleines, lauschiges Paradies verwandelt hatte. Danach trafen wir uns, vor allem auf sein Betreiben hin, noch mehrmals dort. Meine Gefühle ihm gegenüber blieben jedoch indifferent, und vielleicht hätte ich sogar gänzlich auf eine Fortsetzung der Beziehung verzichtet, wenn ich nicht das ungute Gefühl gehabt hätte, er könnte bei einer zu abrupten Abweisung unangenehm werden. Die Unannehmlichkeiten ereilten mich dann allerdings von einer ganz anderen Seite.
Es war an einem ruhigen Vormittag ohne Mandanten, als ich mit Fräulein Helmchen allein in der Kanzlei war und sie die Flaute nutzte, um hingebungsvoll ihr Grünzeug zu pflegen. Weil es einfach mal wieder an der Zeit war, raffte ich mich zu einem Kompliment über ihren grünen Daumen auf.
„Danke“, murmelte sie, ohne mich anzusehen, „aber auch Sie haben ja nun wohl doch noch ihre Liebe zum Gärtnern entdeckt. Und lassen sich dabei sogar von einem Schönheitsexperten beraten.“
Ich erstarrte. Die alte Hexe hatte mir tatsächlich nachspioniert. Sie musste einen ungeheuren Aufwand an Zeit und Energie in ihre Nachforschungen investiert haben, denn Friedhelm und ich waren äußerst vorsichtig gewesen. Die Empörung darüber ließ mich viel zu schnell eine Erklärung heraussprudeln: „Unterstellen Sie mir bitte nichts, Fräulein Helmchen. Auf dem Grundstück war ich nur im Auftrag von Jutta, die mich bat nachzusehen, ob sie dort einen Karton mit Studienunterlagen vergessen habe, den sie seit dem Umzug vermisst. Und Dr. Schlüter berät mich wegen der Erkrankung meines Mannes.“ Im gleichen Moment wurde mir bewusst, wie blödsinnig das klang, schließlich war Friedhelm Schönheitschirurg. „Er hat mir einen Kardiologen empfohlen, den er persönlich gut kennt.“, setzte ich deshalb hinzu. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich soeben eine Regel gebrochen hatte. „Wenn du zu Lügen gezwungen bist“, hatte mein Vater mir eingeschärft, „dann drücke dich so knapp und vage
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