Schicksalspfade
mit großer Sorgfalt.
»Aber ich brauche Zeit, um über die Konsequenzen dieser Entscheidung nachzudenken.«
»Einverstanden. Aber ich warne Sie – ich akzeptiere nur eine Antwort.« Sie lächelte erneut und Tuvok fand, dass einem schwindelig werden konnte, wenn man versuchte, mit den schnellen emotionalen Veränderungen dieser sprunghaften Frau Schritt zu halten.
Von einem Augenblick zum anderen wurde sie wieder kühl und sachlich. »Nun, ich habe gehofft, dass man unsere Abwesenheit bemerken würde, aber offenbar müssen wir allein zurechtkommen.« Sie holte den Tricorder hervor und
rejustierte das Gerät. »Ich nehme an, ein starker
Ultraschallimpuls verwirrt das arme fliegende Geschöpf lang genug, um unseren Transfer zum Schiff zu ermöglichen.«
»Mit ›das arme fliegende Geschöpf‹ meinen Sie vermutlich den aggressiven Raubvogel, der uns angegriffen hat«, sagte Tuvok.
Janeway lächelte, als sie den Tricorder rekonfigurierte. »Der Vogel ist nur eine Mutter, die ihre Kinder beschützt«, sagte sie.
»Wir sollten ihr nichts zuleide tun. Immerhin sind wir hier die Eindringlinge.«
Tuvok wollte erwidern, dass sie gar nicht erst zu
Eindringlingen geworden wären, wenn die Kommandantin auf ihn gehört hätte, aber er überlegte es sich anders und verzichtete auf eine solche Bemerkung. Captain sah ihn an, kühl und zuversichtlich. Sie zeigte weder Zweifel noch Unsicherheit in Hinsicht auf ihren Plan und Tuvok bewunderte ihren Mut.
»Versuchen wir’s«, sagte sie und näherte sich dem Zugang der kleinen Höhle. Tuvok hielt sich dicht hinter ihr.
Der große Vogel saß in seinem Nest und blickte direkt in ihre Richtung. Als er sie bemerkte, kreischte er zornig, stand auf und breitete die Flügel aus. Janeway richtete den Tricorder auf ihn und aktivierte den Ultraschallstrahl. Das Geschöpf zögerte, faltete die Schwingen wieder, öffnete sie halb… Der
Ultraschallstrahl beeinträchtigte sein Gehör und er wusste nicht, wie er reagieren sollte.
»Janeway an Bonestell«, sagte die Kommandantin, nachdem sie auf ihren Insignienkommunikator geklopft hatte. »Zwei Personen für den Transfer.«
Als sie entmaterialisierten, begriff Tuvok, dass er seine Entscheidung bereits getroffen hatte. Er durfte nicht hoffen, diese komplexe Frau jemals zu verstehen; ihre ausgeprägte Emotionalität würde ihn wahrscheinlich immer wieder
verwirren. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie einzigartig und sehr beeindruckend war. Wenn er in ihrer Nähe blieb, musste er mit mehr Aufruhr rechnen, als ihm lieb sein konnte, doch es mochte sich auch als ein großes Abenteuer erweisen.
Etwas sagte ihm, dass der Lohn einer Zusammenarbeit mit Captain Janeway weit über die Kosten hinausging. Diese Erkenntnis, so begriff er, war zwar nicht sehr logisch, aber sie bereitete ihm eine sonderbare Genugtuung.
15
Tuvok beendete seinen Vortrag, wandte sich an Vorik und richtete einen sehr intensiven Blick auf ihn. Seine erstaunliche Geschichte war ganz offensichtlich ein Geschenk an den jungen Vulkanier, doch sie hatte auch alle anderen
Anwesenden beeindruckt. Niemand gab einen Ton von sich.
Schließlich sah sich Tuvok um. »Ich glaube, wir sollten uns jetzt wieder auf die aktuelle Situation besinnen«, sagte er.
»Lieutenant Torres, wann wird die unterirdische Kammer Ihrer Schätzung nach fertig sein?«
»Morgen Abend, mit ein wenig Glück«, erwiderte B’Elanna.
»Wir können natürlich erst sicher sein, wenn wir wirklich jemanden hinuntergebeamt haben. Aber Harry und ich
glauben, dass morgen Abend die Höhle groß genug für zwei Personen sein müsste.«
»Ich schlage vor, dass wir dann den Fluchtversuch
unternehmen. Je länger wir hier bleiben, desto größer wird die Gefahr einer Entdeckung.«
»Außerdem riskieren wir, krank und schwach zu werden«, fügte Chakotay hinzu. Er sah zu Noah Mannick, der auf dem Boden lag, die Beine angezogen, sodass die Knie fast die Brust berührten. Seit einigen Stunden litt er an starken Krämpfen, vermutlich hervorgerufen von verunreinigtem Trinkwasser.
Brad Harrison saß still bei ihm, die Hand tröstend auf Noahs Schulter gelegt. Unter den gegenwärtigen Umständen stellten Erkrankungen eine große Gefahr dar. Chakotay spürte Brads Sorge, obgleich der junge Mann nichts sagte.
Sie beschlossen, sich spät am Abend des kommenden Tages, wenn es im Lager am stillsten war, aus dem Höllenloch in den Dschungel zu transferieren. Niemand brauchte extra auf Folgendes hinzuweisen: Selbst
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