Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
geholt, als sie kaum älter als Johanna gewesen war. Nun, wie es auch kommen mochte, im Augenblick gab es Wichtigeres zu bedenken, denn allmählich lief ihnen die Zeit davon.
22. Kapitel
S imon saß an diesem Abend noch lange an Deck der Elisabeth und blickte über die Ostsee. Nach außen hin erschien Jannicks Anweisung sinnvoll. Einer von beiden musste an Bord bleiben, und da Kapitän Hinrich Jannick als Gast in sein Haus eingeladen hatte, war es nachvollziehbar, dass Simon auf der Kogge blieb. Aber Simon hatte seinen Bruder in Verdacht, ihn nur von Brida fernhalten zu wollen. Glaubte Jannick wirklich, er würde, nachdem er sich Brida erklärt hatte, jede Gelegenheit zu unzüchtigem Handeln nutzen? Er hatte ihn ohne Umschweife danach gefragt, vielleicht mit einem Anflug von Groll. Natürlich hatte sein Bruder die Unterstellung abgestritten. Er brauche Simon an Bord der Elisabeth , hatte er ihn beschieden. Niemand sei so wachsam und so erfahren in Kriegsdingen, schließlich habe Simon doch fünf Jahre an der besten Fechtschule Deutschlands alles über Kampf und Kriegswesen gelernt. Dennoch blieben Simons Zweifel an den Absichten seines Bruders.
Aus dem Wirtshaus Zur Seejungfrau drangen Musik und Gelächter. Unwillkürlich musste Simon an Seyfried in seiner dunklen Zelle denken und konnte sich ein boshaftes Lächeln nicht verkneifen. Es würde lange dauern, bis Seyfried sich wieder dem Trunk ergeben konnte.
»Holla, noch zu so später Stunde wach?«
Simon fuhr herum. Kalle stand am Kai. »Ist’s gestattet, an Bord zu kommen?«
»Warum so förmlich?« Simon lud den Schmuggler mit einer Handbewegung ein. Kalle schwang sich über die Reling.
»Na, ich wollt mich lieber ankündigen. Wer weiß, was Euch einfällt, wenn Ihr so vor Euch hin träumt und plötzlich Schritte hört.«
Simon schmunzelte. »Spricht da Angst aus Eurer Stimme?«
»Nur Vorsicht. Ich weiß ja, wie gut Ihr seid.«
»Und was führt Euch um diese Stunde zu mir?«
»Ich war heut noch mal bei Helmar. Er hat die Katharina als Auslieger vor den Belt beordert. Wenn die Dänen vor der Zeit kommen, wird er’s wissen.«
»Kommt er uns auch zu Hilfe?«
»Nun, er wird die Insel verteidigen, dafür hat der Graf von Holstein ihn angeheuert. Der Rest ist davon abhängig, ob er sich Beute erhofft. Manchmal ist er fast so gierig wie ein geschäftstüchtiger Pfeffersack.«
»Wie viele Schiffe hat er unter seinem Kommando?«
»Fünf«, antwortete Kalle. »Einen Holk, zwei Koggen und zwei Kraier.«
»Eine beachtliche Flotte. Aber gegen die dänische wird sie kaum bestehen.«
Kalle nickte. »Und deshalb wird Helmar sich vermutlich zurückhalten. Den Sund und die Insel kann er verteidigen, aber in einer offenen Seeschlacht wäre er den Dänen unterlegen.«
Simon dachte an die Smukke Grit . Sie war schnell gewesen, schneller als der Holk, der sie verfolgt hatte. Aber der Reichweite seiner Kanonen hatte sie in dem Sturm nichts entgegenzusetzen gehabt.
»Wie soll’s morgen weitergehen?«, fragte Kalle. »Wer führt die Elisabeth nach Lenste? Ihr oder Euer Bruder?«
»Ich«, antwortete Simon. »Ich werde außerdem die Wagen der Mönche bis nach Cismar begleiten, zusammen mit den Mitgliedern der Stadtwache, die Willem bereitstellt. Damit uns kein Raubgesindel um das Gut der Stadt bringt.«
»Wenn Ihr wollt, komm ich mit. Ich hab morgen noch nix Besseres vor.«
»Das wäre nicht schlecht. Ihr macht mehr her als zwei von Willems Männern.«
Simon erinnerte sich, dass noch eine Karaffe Wein auf dem Tisch in der Kajüte seines Bruders stand, und lud den Schmuggler auf einen Becher ein. Kalle nahm dankend an. Als die beiden Männer die Karaffe sehr viel später gemeinsam geleert hatten, waren sie zum vertraulichen Du übergegangen.
Am nächsten Morgen stach die Elisabeth kurz nach Sonnenaufgang in See. Zuvor waren noch die letzten Güter an Bord gebracht worden, und Willem hatte zwölf Männer bereitgestellt, die den Zug schützen sollten. Nach allem, was Simon tags zuvor mit Pater Johannes besprochen hatte, würde die Elisabeth wohl vier Fahrten benötigen, um alle Waren nach Cismar zu schaffen.
Jannick hatte es sich nicht nehmen lassen, Simon kurz vor dem Auslaufen der stolzen Kogge auf seine unnachahmliche Weise zu verabschieden. »Pass gut auf, dass du unser Schiff heil zurückbringst, Lillebror. Sonst bekomme ich Ärger mit Elisabeth. Sie hängt an dieser Kogge.«
»Es steht dir frei, selbst nach Lenste zu segeln«, hatte Simon geantwortet, aber
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