Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Zwischenfall spielte sich an einem ganz anderen Ort ab, dort, wo es Brida niemals erwartet hätte. Es begann damit, dass Simon als Einziger an Hinrichs Tafel fehlte, obwohl Elsa sich wieder besondere Mühe mit dem Essen gegeben hatte. Jannicks Lob trieb die alte Köchin zu Höchstleistungen an.
»Wo steckt Simon?«, fragte Brida in die Runde. Seit dem Nachmittag hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
»Er wird gewiss gleich kommen«, erwiderte Jannick. »Ich hatte ihn zu Pater Johannes geschickt, damit er mit ihm die Verschiffung der städtischen Vorräte plant. Ich dachte mir, eine sinnvolle Aufgabe täte ihm derzeit gut.«
Barbara kicherte. »Ja, er war schon arg griesgrämig in den letzten beiden Tagen.«
»Hat er das öfter?« Hinrich sah Jannick fragend an, und Brida glaubte eine winzige Sorgenfalte zwischen den Brauen ihres Vaters zu entdecken. So ganz war er also doch nicht mit ihrer Wahl einverstanden, obwohl er Simon schätzte.
»Nein«, entgegnete Jannick. »Simon ist ein feiner Kerl, auf den man sich immer verlassen kann. Ich glaube, es ist ihm viel nähergegangen, Cunards Träume zu zerstören, als er zugibt. Vermutlich hätte er sich besser gefühlt, wenn Cunard ihm mit der Faust den Kiefer ausgerenkt hätte.«
Die Falte zwischen Vaters Brauen wich einem verständnisvollen Nicken.
»Männer«, flüsterte Barbara Brida zu, die ein Kichern unterdrückte.
Schritte in der Diele. Brida fuhr auf ihrem Stuhl herum. Sie hatte Simon am Tritt erkannt.
Er öffnete die Tür und grinste breit in die Runde. Da war nichts Missmutiges mehr in seinem Blick, ganz im Gegenteil.
»Guten Abend!«, rief er fröhlich und nahm zwischen Brida und Jannick Platz. »Bitte entschuldigt meine Verspätung. Ich wurde aufgehalten. Ein Ereignis der besonderen Art – das durfte ich mir einfach nicht entgehen lassen.«
Vier erwartungsvolle Augenpaare richteten sich auf Simon, doch er schien es zu genießen, seine Zuhörer auf die Folter zu spannen.
»Das duftet ja verführerisch. Was hat Elsa denn heute gezaubert?«
Er griff nach seiner Schale und füllte drei Kellen voll Gemüsesuppe hinein, die es als Vorspeise gab. »Oh, und was ist das? Krustenbraten im Kräutermantel? Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«
»Wie schön zu hören«, merkte Jannick trocken an. »Und was hat dich aufgehalten?«
Simon kostete einen Löffel von der Suppe. »Mmh! Elsa ist eine wahre Perle.«
Brida sah den Schalk in Simons Augen leuchten. Es machte ihm einen Heidenspaß, alle hinzuhalten.
»Sicher, Jung«, bestätigte Kapitän Hinrich. »Und, was gibt’s Neues?«
»Pfarrer Clemens musste dringend verreisen.«
»Wie bitte? Clemens lässt seine Schäfchen gerade jetzt im Stich?« Die Überraschung stand Hinrich ins Gesicht geschrieben. Brida erging es genauso. Gewiss, Clemens war kein einfacher Mensch, aber er war der Pfarrer, er würde doch seine Gemeinde in der Stunde der Not nicht verlassen!
»Nun, vielleicht wollte er nicht, dass jemand sein blaues Auge sieht.« Simon löffelte unbeirrt seine Suppe weiter.
»Verdammt, du solltest dich mit Trunkenbolden schlagen, nicht mit dem Pfarrer!«, brauste Jannick auf.
»Was denkst du bloß von mir? Ich könnte doch niemals einen Geistlichen schlagen. So etwas ziemt sich nicht … Reichst du mir eine Scheibe von dem Brot, Brida? Danke.«
In aller Seelenruhe brockte sich Simon das Brot in die Suppe. Niemand sagte etwas, und Barbara klopfte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch.
»Tja, das ist eine … hmm … heikle Angelegenheit«, sagte Simon endlich. Sein Gesicht strahlte noch immer. »Pater Johannes hat um Unterkunft im Pfarrhaus gebeten, und Pfarrer Clemens hat ihn natürlich aufgenommen. Wenn auch nicht gern, denn …« Simon schlürfte laut, anstatt weiterzusprechen. »Die ist wirklich ausgezeichnet, diese Suppe.«
»Das wissen wir bereits.« Jannick wies auf seinen leeren Napf. »Du hältst uns ganz schön lange hin, Lillebror.«
Simon lachte. »Stimmt. Gut, dann also ganz kurz und knapp, auch wenn sich die Geschichte ein wenig jenseits der Schicklichkeit bewegt, die ich unserer Schwester und Brida zumuten dürfte.«
»Auf mich musst du keine Rücksicht nehmen«, sagte Barbara. »Ich weiß schon, wie es in der Welt zugeht.«
»So? Na, da bin ich mir nicht so sicher. Aber gut. Also, Pater Johannes und ich haben die Listen mit den Gütern, die wir nach Cismar schaffen wollen, im Rathaus durchgesehen. Als wir damit fertig waren, meinte der Pater, wir sollten jetzt mit Pfarrer
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