Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Jannick hatte lachend abgewinkt.
»Ach was. Ich vertraue dir.«
Sie erreichten den Lenster Strand ohne Zwischenfälle, und bis auf vereinzelten Fischerbooten begegneten sie keinem weiteren Schiff. Da Lenste über keinen Hafen verfügte, musste die Kogge per Boot entladen werden, und das nahm mehr Zeit in Anspruch als die Überfahrt. Um die Mittagsstunde waren alle Waren auf den Wagen der Mönche verstaut, und der Zug konnte sich auf den Weg zum Kloster machen. Simon war dankbar, dass die Mönche Reitpferde dabeihatten, denn er schätzte es nicht sonderlich, lange auf holpernden Karren zu hocken. Auch Kalle hatte ein Pferd bekommen, und so setzten die beiden Männer sich an die Spitze des Zugs.
Der Weg führte durch einen dichten Wald, aber ringsum blieb alles ruhig. Fast hatte Simon den Eindruck, Kalle sei enttäuscht, denn immer wieder ließ der Schmuggler die Rechte spielerisch über den Knauf seines langen Messers wandern. Simon hingegen war froh, als sie das Kloster ohne Zwischenfälle erreichten. Das Angebot der Mönche, eine Mahlzeit bei ihnen einzunehmen, lehnte er ab. Wenn sie sich sputeten, konnten sie an diesem Tag womöglich noch eine letzte Fahrt schaffen.
Tatsächlich waren die Speicher bei ihrer Rückkehr nach Heiligenhafen schon wieder gefüllt. Ohne große Umstände ließ Simon die zweite Ladung verstauen und erreichte Lenste am frühen Abend. Auch die zweite Wagenfuhre gelangte sicher zum Kloster, doch als sie an Bord zurückkamen, war es längst Nacht geworden. Sie hätten einfach bis zum ersten Morgenlicht vor Anker liegen bleiben können, aber Simon führte nicht zum ersten Mal ein Schiff bei Dunkelheit. Die Seewege schienen sicher, und bis Heiligenhafen war es ein Katzensprung. Also ließ er erneut Segel setzen. Wenn der nächste Tag genauso erfolgreich war, gab es für die Dänen nichts mehr zu holen.
Simon stand an der Reling und spähte über die schwarze See. Ein halber Mond spendete ein wenig Licht, und das Meer spiegelte den Schein der Schiffslichter. Kalle hatte sich zu ihm gesellt. Nicht mehr lange, und sie würden das erste Leuchtfeuer vor Heiligenhafen sehen.
Plötzlich zuckte der Schmuggler zusammen.
»Sieh mal da!« Er zeigte in Richtung des Küstensaums.
»Was ist?« Simon folgte dem ausgestreckten Finger mit dem Blick, doch er sah nur Schwärze.
»Da hat was geblinkt. Wie ein Leuchtzeichen.«
Eine Weile starrten beide Männer gemeinsam in die Dunkelheit. Schon wollte Simon sagen, Kalle müsse sich geirrt haben, als es erneut aufblitzte. Ein schmaler Feuerschein, der zweimal kurz und einmal lang blinkte.
»Schmuggler?«, fragte Simon, doch Kalle schüttelte den Kopf.
»Nicht hier.«
Simon spürte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Ob es dänische Spione waren? Er erinnerte sich, was Willem erzählt hatte. Ganz in der Nähe hatte einer seiner Männer schon einmal eine Zusammenkunft beobachtet.
»Wollen wir es uns ansehen?«, fragte Kalle. »Wir lassen einfach das Beiboot runter und rudern hin.«
»Und wenn sie uns bemerken?«
»Die werden der Kogge hinterherschauen, nicht uns«, beschwichtigte Kalle. »Wir gehen nicht unmittelbar dort an Land, sondern ein Stück weiter längs. Vielleicht können wir sie belauschen.«
»Wenn sie noch da sind, bis wir angekommen sind.«
»Na, die warten doch auf jemanden, sonst täten sie keine Signale geben.« Kalle klopfte ungeduldig mit den Fingern auf die Reling. Simon spürte geradezu, wie die Unruhe und Neugier des Schmugglers auf ihn selbst übergingen, und so gab er leise den Befehl, das Beiboot zu Wasser zu lassen.
Es war schwierig, im dünnen Licht des Monds den Weg zu finden und die Ruder leise ins Wasser zu tauchen, denn die klare Nachtluft trug jeden Laut über die stille See. Die Elisabeth segelte weiter. Simon hatte vereinbart, dass sie später mit dem Boot nach Heiligenhafen rudern würden.
Noch während sie sich dem Strand näherten und ihr Schiff sich immer mehr entfernte, sahen sie zwei weitere Lichter blinken, diesmal von der Seeseite.
»Da kommen wir wohl gerade recht«, flüsterte Kalle. So lautlos wie möglich zogen sie ihr Boot an Land und schlichen sich im Schutz der Nacht dorthin, wo es erstmals aufgeleuchtet hatte.
Ein einzelner Mann mit dunklem Umhang saß auf einem umgestürzten Baum am Strand, in der Hand eine kleine Öllampe, die Simon an ein Grubenlicht erinnerte. Es war der geeignete Platz für ein heimliches Treffen. Der Wald reichte fast bis ans Wasser, die Gegend dahinter war unbewohnt.
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