Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
zurückzukehren. Hinrich hatte ihm das Versprechen abgenommen, vorsichtig zu sein und sich dem Hafen nicht mehr zu nähern, wenn die Elisabeth schon ausgelaufen war.
»Wenn die Elisabeth fort ist, sind wir es auch«, hatte er dem jungen Kapitän eingeschärft. »Dann gibt’s nichts mehr zu retten.«
Cunard hatte stumm genickt.
Marieke war eine der letzten Frauen, die an Bord gingen. Während Brida unruhig an der Reling stehen blieb und nach Simon Ausschau hielt, hastete die Magd suchend durch das Schiff.
»Ich kann die Johanna nicht finden«, keuchte sie schließlich. »Ich hab sie vorhin noch gesehen, da dacht ich, sie ist an Bord.«
Die Worte versetzten Brida einen Stich ins Herz. Bei all dem Aufruhr hatte sie das Mädchen vergessen!
»Lass uns noch einmal das Schiff durchsuchen. Die Elisabeth läuft erst aus, wenn Simon zurück ist.«
Doch sosehr sie auch nach ihr riefen, Johanna war nicht an Bord.
»Vermutlich liegt ihre Mutter wieder besoffen im Dreck«, murmelte Marieke. »Und sie will ihre Mutter nicht allein lassen.«
»Sie kommen!«, schrie ein Mann. Brida fuhr herum. Vom Fehmarnsund her näherte sich ein Wald von Masten. Offenbar hatten die Vitalienbrüder die Dänen passieren lassen. Brida spürte Ärger in sich aufsteigen – Burg Glambeck sollte eigentlich den Sund schützen.
»Die machen keine halben Sachen«, hörte sie einen der Seeleute sagen und war sich nicht sicher, ob es Angst oder Achtung war, die in seiner Stimme mitschwang. Vermutlich hatten die Vitalienbrüder keine andere Wahl gehabt. Sie sollten die Insel schützen, sonst nichts. Und einer derartigen Übermacht hätten sie in offener Seeschlacht wohl kaum etwas entgegenzusetzen gehabt.
Hastige Schritte vom Hafen. Simon. Noch während er über den Landungssteg rannte, rief er Jannick zu, nun solle die Elisabeth ablegen.
»Nein!«, schrie Brida. »Die Johanna ist noch nicht an Bord!«
Simon erstarrte. »Wir können nicht länger warten.«
»Aber wir dürfen das Mädchen auch nicht allein zurücklassen.«
Simon atmete tief durch. »Gut, ich mache mich auf die Suche nach ihr.«
»Warte, ich komme mit.«
»Wir können nicht auf euch warten!«, brüllte Jannick. »Wir müssen ablegen!«
Hinrich war hinzugetreten. »Deern, du bleibst an Bord!«, sagte er streng, doch Brida war schon über den Landungssteg gelaufen.
»Wartet auf uns hinter Ortmühle!«, rief Simon, bevor er Brida nacheilte. »Dort könnt ihr eine Weile ungesehen ankern. Wir holen euch auf dem Landweg ein!«
»Verdammt«, brüllte Jannick, »ihr setzt unser aller Leben für das Mädchen aufs Spiel!«
»Unterscheidet uns das nicht von den Tieren?«, rief Simon zurück. »Los, nun legt schon ab! Ich passe auf Brida auf und bringe sie und Johanna sicher zurück.«
»Brida, du kommst sofort zu mir!«, donnerte ihr Vater.
Doch sie achtete nicht darauf. Für einen Moment war sie sogar dankbar, dass er noch unter seiner Verletzung litt und ihr nicht folgen konnte.
Simon griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. Hinter ihr knarrten die Masten der Elisabeth , als das Segel gesetzt wurde und den Wind fing.
»So, wo steht das Haus von Johannas Mutter?«
»In der Achtergasse am Ende der Stadt.«
Simon kannte kein Zögern. Ohne ihre Hand loszulassen, rannte er los. So schnell, dass sie kaum Schritt halten konnte. Die sonst so lebendigen Straßen lagen wie ausgestorben vor ihnen. Nur die Männer der Stadtwache und junge Fischer, die sich freiwillig gemeldet hatten, lagerten im Schatten der Häuser. Bereit, ihre Aufgabe zu erfüllen und die Lunten zu zünden.
»Was wollt ihr denn noch hier?«
Beim Klang von Kalles Stimme fuhr Brida herum. Natürlich, ein Mann wie er ließ sich ein solches Ereignis nicht entgehen.
»Wir suchen Johanna«, antwortete Simon im Vorbeirennen. Aus den Augenwinkeln sah Brida noch, wie der Schmuggler den Kopf schüttelte.
Die Achtergasse war wie leer gefegt. Unscheinbare kleine Fachwerkhäuser, einige schon recht baufällig. Um die wäre es nicht schade. Ein junger Mann lehnte an einer Wand, neben sich eine Fackel. Aus dem größten der Häuser ragte eine Zündschnur bis auf die Straße heraus.
Simon achtete nicht darauf. »Welches Haus?«
»Da hinten, am Ende der Straße.« Brida keuchte. Simon wurde langsamer.
Die Tür der kleinen Kate stand offen.
»Johanna!«, schrie Simon. Keine Antwort. Brida rief nach Afra. Wieder nur Stille. Ob sie schon geflohen waren? Vielleicht auf dem Landweg?
In der Hütte roch es muffig nach schmutziger
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