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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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umgehen konnte wie kein Zweiter. Die Leute sagen, sie hätten sich immer gewundert, warum Ulrich von Wickede seinem Jüngsten so viel habe durchgehen lassen. Und sie könnten nicht verstehen, warum Johann von Wickede sich auch jetzt noch weigere, schlecht von seinem Bruder zu reden, obwohl der doch ein Verräter sei.«
    »Weil ich kein Verräter bin!« Erik sprang auf.
    »Ist Simon Euer wahrer Name?«, fragte Brida.
    »Vermutlich. Ich kann mich immer noch nicht erinnern, aber ich weiß, dass ich kein Verräter bin.«
    »Wenn ich an Eurer Stelle wäre, dann würde ich zusehen, so schnell wie möglich aus Lübeck zu verschwinden«, riet Cunard. »Ich glaube nicht, dass Euch die Stadtwache mit Samthandschuhen anfassen wird.«
    »Ihr könnt mit mir zurück nach Fehmarn kommen«, schlug Kalle vor. »Da findet Euch keiner, und so schlecht ist das Leben als Schmuggler gar nicht.«
    »Nein. Ich werde nicht verschwinden. Ich will endlich wissen, was damals geschehen ist. Und wenn ich wirklich ein Verräter bin, dann trage ich auch die Folgen.« Eriks Augen blitzten voller Entschlossenheit. »Ich sterbe lieber, als noch länger in dieser Ungewissheit zu verharren.«
    Er stürzte aus der Kajüte.
    »Erik, wo wollt Ihr hin?« Brida lief ihm nach. Er wartete auf sie.
    »Zum Haus der Wickedes.«
    »Wisst Ihr denn, wo es steht?«
    »Ja, die Straße dort hinunter.«
    Auch Kalle und Cunard waren ihm nachgeeilt.
    »Ich würd’s mir gut überlegen«, warnte der Schmuggler. »Vielleicht solltet Ihr lieber auf Fehmarn abwarten, bis Euer Gedächtnis ganz zurückgekehrt ist. So könnt Ihr Euch doch gar nicht verteidigen, wenn Ihr wirklich unschuldig seid.«
    Erik rieb sich mit beiden Händen die Schläfen. »Der Nebel lichtet sich langsam. Wenn ich das Haus sehe, weiß ich vielleicht wieder, wer ich bin und was geschehen ist. Irgendetwas in mir schreit danach, nicht länger zu warten. So, als bliebe mir nicht mehr viel Zeit.«
    »Ihr müsst wissen, was Ihr für richtig haltet«, sagte Kapitän Cunard. »Aber ich gebe Kalle recht. Ich tät’s nicht.«
    »Ihr seid nicht ich«, entgegnete Erik. »Ich bin für Eure Hilfe dankbar, aber meine Angelegenheiten regle ich selbst.«
    Brida zuckte zusammen. War da wieder ein Hauch von Rivalität zu spüren? Sie tauschte einen Blick mit Kalle. Der Schmuggler hob die Schultern und schickte sich an, Erik zu folgen. Brida wandte sich ein letztes Mal dem Kapitän zu.
    »Ich danke dir, Cunard. Für alles, was du herausgefunden hast. Wir sehen uns.«
    »Pass auf dich auf, Brida. Du weißt, wo du mich findest, wenn du Hilfe brauchst.«
    Obwohl Erik angab, sich noch immer nicht zu erinnern, eilte er zielstrebig durch die Gassen. Vorbei an kleinen Gängevierteln, die rings um den Hafen lagen, über den Marktplatz, vorbei am Rathaus, bis zu einer breiten Straße, die mit Blaubasalt gepflastert war. Hinter sich hörte Brida Kalle anerkennend pfeifen. »Noble Ecke hier. Diese von Wickedes müssen wirklich Geld haben.«
    Auf einmal hielt Erik inne. Sie standen vor einem prächtigen roten Backsteinbau. Ein Haus, drei Stockwerke hoch, die Fenster verglast.
    »Ist es hier?«, fragte Brida leise.
    »Ja«, antwortete Erik. »Hier ist es.«
    »Onkel Simon!«
    Erik fuhr herum. Ein kleiner Junge von vielleicht sieben Jahren stürmte auf ihn zu. Ein Kind mit weizenblondem Haar und Augen, so grün wie die Ostsee an hellen Sommertagen. Eriks Augen. Die Augen seines Bruders.
    Ein Ruck ging durch Erik.
    »Thomas!« Er fing den Jungen auf, der sich in seine Arme warf, und hob ihn hoch in die Luft.
    »Endlich bist du wieder da!«, rief der Junge und schmiegte sich in Eriks Arme.
    »Ja, das bin ich!« Er drückte das Kind an sich, und Brida entdeckte die Zuneigung in seinen Augen. Doch zugleich sah sie noch etwas anderes. Der nach innen gekehrte Blick war verschwunden. Erik wusste endlich wieder, wer er war.
    Langsam setzte er Thomas ab. »Wo ist dein Vater?«
    »Im Hafenkontor. Soll ich ihn holen?«
    »Ja, hol ihn. Es ist wichtig.«
    Thomas rannte die Straße hinunter, und Erik wandte sich Brida zu.
    Jede Unsicherheit war aus seinen Augen verschwunden. Vor ihr stand ein Mann, der mit sich im Reinen war, für den es keine ungelösten Fragen mehr gab.
    »Mein Name ist Simon von Wickede«, sagte er. »Ich bin kein Verräter, wie Cunard behauptete, sondern habe im Auftrag des Rats der Hanse gehandelt.«
    »Dann wisst Ihr wieder alles?«
    Simon nickte. »Ich glaube, ja. Es ist verrückt. Es fühlt sich so an, als sei in meinem Kopf

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