Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
die Augen.
»Ich bin sprachlos. In Ehrfurcht erstarrt.« Nun ja, den begeisterten Tonfall hatte er nicht so gut getroffen wie Brida.
»Du klingst aber nicht so.« Helmar runzelte die Stirn.
Erik überlegte kurz. Sollte er doch noch ein wenig heucheln? Ach was, das brachte er sowieso nicht glaubhaft zustande. Lieber gleich zur Sache kommen.
»Ich wollte auch nicht über deine Familie reden, sondern über Schiffe. Kalle sagt, du könntest uns nach Lübeck bringen.«
»Für ’n Bittsteller bist du ganz schön vorlaut.«
»Mag sein. Aber ich verliere nur ungern Zeit. Also, wirst du uns ein Schiff zur Verfügung stellen oder nicht?«
»Und was habe ich davon?«
»Du tust mir einen Gefallen, und dafür hast du für die Zukunft einen bei mir gut. Ist das ein annehmbares Angebot?«
Helmar musterte Erik von oben bis unten.
»Was könntest du schon für mich tun?«
»Unterschätz ihn nicht«, mischte Kalle sich ein. »Ich wette, dass er dich ganz schnell mit dem langen Messer fertigmacht. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so geschickt ist wie Erik.«
Helmar sprang auf. »Gut, das werden wir sehen. Wenn du mich besiegst, kriegst du das Schiff. Wenn nicht, trittst du in meine Dienste.«
»Von mir aus.« Erik blieb gelassen. »Kalle, leiht Ihr mir Euer Messer?«
Der Schmuggler reichte es ihm, und als Erik es durch die Luft wirbelte, hörte er anerkennende Rufe unter den Männern.
»Nicht schlecht«, gab Helmar zu. »Aber wir wollen nicht spielen, sondern kämpfen!« Und schon stürzte er mit erhobener Klinge auf Erik zu. Der zögerte nicht lange, packte mit der Linken Helmars rechtes Handgelenk, drückte dessen Messer nach unten und setzte ihm gleichzeitig sein eigenes an die Kehle.
Ein Aufschrei ging durch den Saal. Überraschung mischte sich mit Anerkennung. Niemand hatte mit einem so raschen Ende des Kampfs gerechnet.
»Ich sagte doch, ich verlier nicht gern viel Zeit.« Erik senkte sein Messer. »Krieg ich jetzt ein Schiff?«
Helmar starrte ihn an, unfähig, ein Wort zu sagen, und nickte nur. Kalle lachte. »Habe ich dir doch gesagt, ne? Der ist gut, der Junge.«
Als Erik sich wieder an den Tisch setzte, beugte sich Kalle zu ihm herüber. »Wusst ich doch, dass Ihr das Zeug habt, den Döspaddel zu beeindrucken.«
»So redet Ihr von Eurem Bruder?«
Kalle grinste. »Versteht mich nicht falsch, ich schätz ihn, aber ’n Döspaddel ist er trotzdem. Das würdet Ihr mir besiegeln, wenn Ihr ihn so gut kennen tätet wie ich.«
Helmar kehrte an die Tafel zurück. »Wann wollt Ihr in See stechen?«
»Am besten sofort«, antwortete Erik.
»Gut. Die Katharina liegt unten vor Anker. Sie wird Euch nach Lübeck bringen, aber dort nicht auf Euch warten. Ich brauch sie hier.«
Kalle erhob sich.
»Ich dank dir, Helmar. Du hast was gut bei mir.« Die Art, wie Kalle seinen Bruder zum Abschied ansah, verriet Erik, dass er weit mehr von ihm hielt, als er zugeben mochte.
13. Kapitel
D er Himmel war noch immer blau, und die See schimmerte grünlich in der Sonne. Brida liebte diese Farbe, die nur die Ostsee hatte. Kein bleiernes, schweres Blau wie in der Nordsee, sondern ein Meer, so grün wie Eriks Augen. Seine Augen Ihr Herz schlug schneller. Hätte er doch nur endlich gewusst, wer er wirklich war! Sie sehnte den Augenblick herbei, doch zugleich fürchtete sie ihn. Was, wenn ihr Vater recht hatte? Wenn Erik längst verheiratet war oder Geschäften nachging, die nicht geeignet waren, eine Familie zu unterhalten? Nein, das konnte und wollte sie sich nicht vorstellen. Immer wieder erinnerte sie sich an seine Worte, an jenem Abend, nachdem Cunard sie gebeten hatte, ihn zu heiraten.
Wenn ich wüsste, wer ich bin, und dass kein Makel auf meiner Herkunft und meinen Taten liegt, dass ich ledig bin und keiner anderen Frau verpflichtet, dann würde ich Euch bitten, die Meine zu werden.
Die Seine. Das hatte er wirklich gesagt. Er fühlte genau wie sie, aber seine fehlende Vergangenheit nahm ihm jede Zukunft.
Heilige Stella Maris, Stern des Meeres, betete sie in Gedanken. Lass ihn seine Vergangenheit wiederfinden. Lass ihn frei und ledig sein. Lass meinen Traum wahr werden.
Erik lehnte an der Reling und blickte über den Horizont. Ob er sich wohl wieder an etwas erinnerte? Die Katharina war ein einfacher Kraier. Schnell und wendig, aber nicht sonderlich gut bewaffnet, nur zwei Kanonen an jeder Seite. Ob sie der Smukken Grit ähnelte?
Brida gesellte sich schweigend neben ihn. Sofort wandte er sich ihr zu. Er lächelte
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