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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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ein Tor aufgegangen. Das Tor, hinter dem alle Erinnerungen verborgen waren. Sie sind da, aber ich glaube, ich brauche Zeit, um sie alle in Ruhe zu betrachten. Fragt mich irgendetwas.«
    »Wer ist die Frau, von der Ihr immer wieder geträumt habt?«
    Viel lieber hätte sie ihn gefragt, ob er schon eine eigene Familie gegründet habe, aber das erschien ihr unangemessen, zumal Kalle neben ihr stand und alles mithörte.
    Er antwortete, ohne zu zögern. »Sie war meine Mutter, Ihr hattet ganz recht. Alte Erinnerungen mischten sich mit der Gegenwart. Ich war damals vierzehn. Unser Schiff wurde von dänischen Kaperfahrern überfallen.«
    »Und was ist in jener Nacht, als Euer Schiff unterging, tatsächlich geschehen?«
    »Ich war auf dem Weg von Vordingborg nach Lübeck, denn …«
    Als hastige Schritte auf dem Blaubasalt zu hören waren, hielt er inne. Thomas flitzte über die Straße. Hinter ihm, etwas gemesseneren Schritts, ein Mann, der Simon verblüffend ähnlich sah, auch wenn er älter war und einen kurzen Vollbart trug. Es waren die gleichen Augen, der gleiche Gang. Er trug ein ähnliches Hemd wie das, das Simon beim Schiffsuntergang getragen hatte, blütenweiß mit reichen Verzierungen. Aber er hatte die Ärmel lässig hochgekrempelt. Ein Mann, der es nicht nötig hatte, seinen Reichtum durch ein makelloses Äußeres zur Schau zu stellen, sondern der ihn als gegeben hinnahm und vermutlich auch in einem Fischerhemd eine beeindruckende Erscheinung geboten hätte.
    »Jannick!« Simon lief dem Mann entgegen. Keinen Moment später lagen die beiden einander in den Armen.
    »Du bist zurück!«, rief Jannick. »Du ahnst nicht, wie groß unsere Sorgen waren, als keine Nachrichten mehr von dir kamen.«
    »Eine lange Geschichte.«
    »Lass uns ins Haus gehen.«
    Der kleine Thomas öffnete die Haustür.
    »Warte noch, ich muss dir erst meine Begleiter vorstellen.«
    Simon lächelte. »Das ist Jungfer Brida Dührsen, die Tochter von Kapitän Hinrich Dührsen. Ich verdanke ihr und ihrem Vater mein Leben.«
    Brida merkte, wie sie errötete, als Jannick ihr die Hand reichte und sie lächelnd willkommen hieß.
    »Und das ist Kalle, ein Freund der Familie, dem ich beinahe ebenso viel verdanke.«
    Jannick schüttelte auch Kalle die Hand, dann betraten alle das Haus.
    Schon angesichts der prächtigen Außenmauern hatte Brida erkannt, dass die Wickedes mehr als wohlhabend waren. Als sie jedoch ins Innere gelangte, wurde ihr klar, dass diese Familie zu den reichsten der Stadt gehörte. Anders als bei den meisten Kaufleuten war dies ein reines Wohnhaus. Die Kontore lagen außerhalb.
    Die Wände waren mit kostbaren Hölzern vertäfelt, selbst in der Diele hing ein Wandteppich. Der Boden war so blank gescheuert und gewachst, dass man sich im Holz spiegeln konnte. Als sie in die Stube traten, entdeckte sie einen prächtigen Kamin und kostbare dunkle Möbel. An allen vier Ecken des Zimmers standen mächtige Kohlebecken, die wie Löwenköpfe gearbeitet waren und deren Füße in Löwenpranken endeten. Ein weiterer großer Wandteppich hing über dem Kamin. Er zeigte den Lübecker Hafen mit seinen Schiffen. Eine stolze Kogge lief soeben ein. Ihr geblähtes Segel zeigte das Wappen, an das Simon sich erinnert hatte. Simon … es fiel ihr schwer, ihn bei diesem Namen zu nennen. Es war Erik, in den sie sich verliebt hatte. Simon war ihr ein Fremder, und er bewegte sich in einer Welt, die sie nur aus Erzählungen kannte.
    Sogar Kalle, sonst wahrhaftig nicht auf den Mund gefallen, verstummte angesichts der Pracht im Haus der Wickedes.
    Dafür tobte der kleine Thomas durch die Räume. »Mutter, Großvater, Onkel Simon ist wieder da!«, rief er in einem fort.
    Brida suchte Simons Blick. Auf einmal fühlte sie sich unbehaglich in ihrem einfachen Kleid, dem die Reise deutlich anzusehen war. Was mochte Simons Vater nur von ihr denken, wenn er sie so sah? Hastig versuchte sie, ihr Haar zu ordnen.
    »Ihr seid wunderschön«, flüsterte Simon ihr zu. »Kein Grund, unsicher zu werden.« Sein Lächeln beruhigte sie ein wenig.
    Ulrich von Wickede begrüßte Brida ebenso freundlich, wie es schon Jannick getan hatte. Vor allem als Simon bei ihrer Vorstellung abermals erwähnte, dass sie ihm das Leben gerettet hatte. Brida merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie hatte sich völlig unnötig Sorgen gemacht. Simons Familie strahlte die gleiche Freundlichkeit aus, die sie aus dem Haus ihres Vaters kannte, auch wenn Jannicks Frau Elisabeth einen eher

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