Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
strengen Zug um den Mund aufwies. Unwillkürlich erinnerte Brida sich an Simons Erzählung von der kreischenden jungen Braut, die sich vor einer Maus erschreckt hatte.
Außer einem kurzen Willkommensgruß sagte Elisabeth nicht viel. Dafür erschien eine weitere Person auf der Treppe und stürmte mit solcher Wiedersehensfreude auf Simon zu, dass Brida fast das Herz stillstand. Es war junges Mädchen von etwa siebzehn Jahren.
»Simon, du bist wieder da!«
Sie fiel ihm in die Arme. Simon fing sie auf und wirbelte sie genauso mühelos durch die Luft, wie er es zuvor mit Thomas getan hatte.
»Barbara, du bist kein Kind mehr!«, fuhr Elisabeth die junge Frau an. »Bitte etwas mehr Schicklichkeit.«
»Nun sei nicht so streng mit ihr«, lachte Simon. »Ich war lange fort.«
Lange fort … Ein Stich traf Brida mitten ins Herz. War er doch einer Frau verpflichtet?
Als hätte er ihre Gedanken erraten, wandte er sich ihr zu.
»Brida, das ist meine kleine Schwester Barbara.« Er zwinkerte ihr zu. Hatte er ihr erleichtertes Aufatmen bemerkt?
»Barbara, würdest du dich ein bisschen um Brida und Kalle kümmern? Ich habe mit Vater und Jannick Wichtiges zu besprechen.«
»Selbstverständlich.« Barbara schenkte Brida ein strahlendes Lächeln, während die gestrenge Elisabeth im Hintergrund nur den Kopf schüttelte. Brida war Simon dankbar, dass er sie nicht der Obhut seiner Schwägerin anvertraute.
14. Kapitel
E ndlich hatte sich das Tor in Simons Kopf geöffnet. Auf dem Weg zum Studierzimmer seines Vaters strömten immer neue Bilder auf ihn ein, gaben ihm zurück, was so lange verborgen gewesen war.
Es hatte im vergangenen Sommer begonnen. Die große Niederlage am Öresund. Simon erinnerte sich gut daran, wie die Flüchtlinge im Lübecker Hafen eingetroffen waren. Verbrannte Segel, gesplitterte Masten. Bei den meisten Schiffen hatte er sich gefragt, wie sie überhaupt noch seetüchtig sein konnten. Thomas hatte ihn damals zum Hafen begleitet. Zum ersten Mal hatte er den Schrecken im Gesicht seines kleinen Neffen gesehen, als die Verwundeten von Bord getragen wurden. Männer, denen Arme oder Beine fehlten. Thomas hatte sich eng an ihn gepresst und kein Wort gesagt. Nur mit großen Augen auf die geschlagene Flotte gestarrt. Und in Simons Herz loderte der alte Hass erneut auf.
Die Dänen hatten sechsunddreißig hanseatische Schiffe erobert, von den versenkten nicht zu reden. Der angesehene Hamburger Bürgermeister Hein Hoyer war in dänische Gefangenschaft geraten.
In Lübeck und Wismar brachen nach der Niederlage Unruhen aus.
Obwohl niemand aus Simons Familie die Verantwortung für den Untergang der Flotte trug, befürchtete Elisabeth in den ersten Tagen, dass aufgebrachte Bürger auch ihr Heim stürmen könnten. Bei jedem Lärm vor der Tür zuckte sie zusammen, bekreuzigte sich und zeigte kaum noch etwas von der inneren Ruhe und Gelassenheit, die sie sonst ausstrahlte.
Um den Zorn der Bevölkerung zu besänftigen, ließ der Rat den Oberbefehlshaber der geschlagenen Flotte, Bürgermeister Tidemann Steen, in Ketten legen. Ein demütigendes Los, das Steen in Simons Augen nicht verdient hatte, aber es war immer noch besser als das Schicksal, das zwei Wismarer Bürgermeister ereilte. Sie wurden von der aufgebrachten Bevölkerung ohne Prozess hingerichtet. Der Aufruhr tobte durch die Hansestädte. Sie waren besiegt!
Im Rat der Hanse stritten sich jene, die nach sofortiger Vergeltung schrien, mit den besonneneren Männern, zu denen auch Simons Vater gehörte. Eine weitere Schlacht konnte die Hanse sich derzeit nicht erlauben.
Simon hörte davon Tag um Tag. Er verfluchte seine eigene Untätigkeit. Er hatte nicht an der Schlacht am Sund teilgenommen, weil sein Vater nicht wollte, dass eines der Handelsschiffe seiner Familie zum Kriegsschiff umgerüstet wurde. Natürlich hatte der Vater recht gehabt – es wäre ein unsinniges Vorhaben gewesen. Nicht einmal die stolze Kogge Elisabeth hätte dem Ansturm der dänischen Kriegsschiffe standgehalten, wenn selbst mächtige Holke zerschossen wurden. Dennoch fand sich Simon nur schwer damit ab, dass er nichts tun konnte, um die Dänen in ihre Schranken zu weisen. Zu tief war sein Hass auf Erik VII. Es waren dänische Kaperfahrer gewesen, die das Schiff seiner Mutter angegriffen und ihren Tod verschuldet hatten. Damals, vor mehr als zehn Jahren.
Als die gemäßigten Ratsherren sich durchsetzten und vorschlugen, man solle einen Spion an König Eriks Hof schicken, einen Mann, der
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