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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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erkennen.«
    »Können Sie von dort auch schießen?«
    Der Offizier wirft ihm einen langen Blick zu. »Sicher«, antwortet er
schließlich. »Auf wen?«
    »Wenn unser Freund über die freie Fläche kommt, werden wir ihn
niemals rechtzeitig stellen, wenn wir von hier aus losrennen. Wir müssen ihn
niederschießen, damit er den amerikanischen Frachter nicht erreicht.«
    »Sie wollen den Mann wirklich erwischen, was?«
    »Ich denke an drei tote Kinder«, erwidert Stave grimmig.
    »Und ich an Palästina und an eine schwangere Frau.« MacDonald zieht
    einen schweren Armeerevolver aus seinem Rucksack. Stave greift sich die FN 22.
    Er lauert am Türspalt. Kein Wort. Nur manchmal wirft er
MacDonald, der schräg unterhalb des Fensters kauert, einen Blick zu. Der
schüttelt den Kopf. Stave fingert die Handschellen aus seinem Rucksack und
stopft sie sich in die Hosentasche. Der Regen hat alle Farben ausgewaschen:
graue Mauern, graue Büsche, grauer Himmel. Graues Licht. Die Dämmerung fällt
ohne Abendrot ein, es ist, als würde irgendjemand nach und nach eine schwache
Lampe nach der anderen ausschalten. Die Tropfen trommeln auf das Dach aus alten
Schieferschindeln. Stave fragt sich, ob sie mitten in der Nacht von ihren
Posten aus überhaupt noch etwas erkennen können, vor allem bei diesem Gewitter.
Ihn fröstelt. Mit seiner klammen Hand wird er nicht sicher schießen können,
falls die Pistole überhaupt funktioniert. Mit jedem Donnerschlag zuckt er
zusammen, jeder Blitz blendet ihn für einige Sekunden – Sekunden, in denen er
fürchtet, dass ausgerechnet in diesem Augenblick eine Gestalt vorbeihuschen
könnte.
    Nach einem Blitz, der irgendwo in ihrer Nähe niederfährt und ihn mit
seinem grellen Licht beinahe betäubt, zwingt er sich, die malträtierten Augen
wieder aufzureißen. Dann hält er den Atem an, hebt die Hand, winkt MacDonald
herbei. Der Offizier ist einen Moment später neben ihm.
    »Da kommt jemand den Gang hinunter«, flüstert der Oberinspektor.
    »Allein?«
    »Ja.«
    »Sein Pech.«
    Ein Mann, das Gesicht im Dunkeln verborgen. Ziemlich groß,
schneller Schritt. Ein Buckliger? Dann erkennt der Kripobeamte mehr: eine
schwarze Regenpellerine mit Kapuze, die den Körper des Unbekannten umhüllt. Der
Buckel muss ein Rucksack sein, über den er den Stoff seines Umhangs geworfen
hat. Ein großer Rucksack.
    Stave nickt MacDonald zu. Im düsteren Schuppen leuchten nur noch die
Augen des Engländers. Noch drei Schritte. Noch zwei. Noch einer.
    Der Oberinspektor stößt die Tür auf, springt in den Gang, reißt die
Waffe hoch. »Kriminalpolizei!«, schreit er.
    Dann explodiert die Welt.
    Ein gleißender Blitz, der in die Funkantenne auf der »Leland Stamford«
fährt. Im gleichen Moment der Donner, dessen Wucht ihn überrollt. Im grellen
weißen Licht ist Stave festgefroren in einer Winzigkeit Zeit, rechts MacDonald
in der Schuppentür, vor ihm der Mann unter der Pellerine. Staves Herzschlag
setzt wieder ein, er will etwas sagen – da trifft ihn ein Faustschlag rechts am
Kinn.
    Wieder ein Blitz, diesmal nur in seinem Kopf. Schmerz. Dann noch
einmal Schmerz, weil er mit dem Hinterkopf und dem Rücken hart auf das Pflaster
schlägt. Die Schuppenwände drehen sich. Ist der Kerl schnell, denkt Stave,
rappelt sich mühsam hoch. Seine Knie sind aus Gummi. In der Rechten hat er noch
immer die Pistole umklammert. Die Hand zittert. Schritte, englische Worte, ein
Schuss.
    »Er entkommt!« MacDonalds Stimme.
    Stave kämpft sich hoch, lehnt sich mit der Schulter gegen die raue
Ziegelwand des Schuppens, schüttelt die Benommenheit aus seinem Schädel. Der
Geschmack von Blut im Mund. Hinterher! Wohin? Der Platz am Kai vor dem Frachter
ist leer. Auf dem amerikanischen Schiff sind nach dem Blitzeinschlag alle
Lichter erloschen. Stimmen wehen von dort hinüber. Der Oberinspektor blickt in
die andere Richtung: zwei Schatten, schon weit von ihm entfernt. Der Kerl rennt
den Gang zurück, den er gekommen ist, MacDonald hinter ihm.
    Er hat mich mit der linken Faust erwischt, denkt Stave. Linkshänder.
    Dann rennt er los.
    Hustend spuckt der Oberinspektor das Blut aus, während er
in großen Sprüngen den Männern hinterherläuft. Er weiß, dass er mit seinem
verkrüppelten Fußgelenk nicht besonders schnell ist. Aber da er seit seiner
Verletzung trainiert, um die Behinderung so gut wie möglich zu überspielen, ist
er ziemlich ausdauernd. Sechzig, siebzig Meter Vorsprung hat der Engländer,
schätzt Stave, und mindestens noch einmal das

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