Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
gegangen", meldete er.
„Wirklich? Ich habe es gar nicht bemerkt", meinte Ray und starrte schon wieder auf die tote Hand.
„Warum haben Sie den Schrank geöffnet?" fragte Howard mit einem Unterton von Tadel. Er ging an Ray vorbei und drückte die Schranktür zu. Dann holte er den Schlüssel hervor und verschloß den Wandschrank.
„Wegen der Mädchen, die morgen früh kommen", fügte er erläuternd hinzu.
„Jaja", sagte Ray wie geistesabwesend.
„Sie hätten den Schrank nicht öffnen sollen, Sir", meinte Howard und steckte den Schlüssel wieder ein.
„Ich weiß nicht recht... es ließ mir einfach keine Ruhe..."
„Wollen Sie nicht endlich schlafen gehen? Ihre Augen sehen rot und entzündet aus."
Ray blickte dem Butler ins Gesicht. „Was wollte der Kommissar?"
„Tut mir leid, darüber bin ich nicht informiert."
„Howard, sehen Sie mir in die Augen."
„Das tue ich die ganze Zeit, Sir."
„Handelt es sich bei der eingenähten Leiche wirklich um . . . Ann Graham?"
„Wie soll ich das verstehen, Sir?" fragte Howard erstaunt.
„Die Hand . . . es ist die Hand einer alten Frau!"
Howard nickte traurig.
„Ich weiß, Sir ... ich weiß."
„Was hat das zu bedeuten?"
„Sie machen sich keinen Begriff davon, wieviel Blut die Ärmste verloren hat. Wahrscheinlich hat diese Tatsache zu einem... zu einem Schrumpfungsprozeß geführt? Eine andere Erklärung habe ich nicht. Ich selbst war es, der die Tote in die Plane nähte, und ich darf Ihnen versichern, daß ich noch am Ende meiner Tage mit Schaudern an die Arbeit zurückdenken werde."
„Hören Sie auf, mir wird ganz übel."
„Sie wünschten eine Erklärung, Sir", entschuldigte sich der Butler. „Ich habe sie Ihnen gegeben."
„Schon gut. Führen Sie mich jetzt bitte zu Mr. Graham."
„Ich dachte, Sie wollten sich zur Ruhe begeben?"
„Das Schlafbedürfnis ist mir vergangen."
„Mr. Graham hält sich noch immer in der Bibliothek auf, Sir", sagte Howard und öffnete Ray die Tür.
Als Ray die Bibliothek betrat, lehnte Graham nachdenklich am Kamin. Der Hausherr lächelte breit, als er Ray auf sich zukommen sah.
„Ich vermute, der plötzliche Besuch des Kommissars hat Ihnen einen hübschen Schreck eingejagt, was?"
Ray ließ sich in den Sessel fallen und nahm eine Zigarette aus dem Kästchen. Graham gab ihm Feuer. „Mir reicht es", sagte Ray.
„Sie haben keine Ursache, sich unnötig zu sorgen. Morry wollte einige Erkundigungen über Patricia Dwoning einholen."
Rays Kinnlade klappte nach unten. Er war so überrascht, daß er einige Sekunden brauchte, um sich zu fassen. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?" stieß er schließlich hervor. „Wegen Patricia . . .?"
„Ja, der Kommissar bearbeitet Ihren Fall", erwiderte Graham und lachte plötzlich laut.
„Dieser verdammte Narr! Der Teufel mag wissen, wieviel er sich auf seine Spürnase einbildet. Ich möchte sein Gesicht sehen, wenn er einmal erfahren sollte, daß Sie sich hier im Hause verborgen hielten, als er . . .“
„Warum kam er zu Ihnen? Was wissen Sie von Patricia?" fragte Ray und stand auf. Er trat dicht vor den Hausherrn hin, leicht gebückt und die Hände zu Fäusten geballt. „Warum, Graham?"
Graham war ernst geworden. „Himmel, warum sehen Sie mich so wild und verbiestert an? Ich kannte Ihre Verlobte. Der Kommissar wollte in Erfahrung bringen, was ich von ihr und Ihnen weiß."
Ray atmete heftig. „Ich bringe Sie um, Graham, wenn Sie der Kerl gewesen sein sollten, der Patricia . . ."
„Hören Sie endlich auf!" entgegnete Graham ärgerlich. „Ich war zwar gezwungen, meine Frau zu erschießen, aber deswegen bin ich noch kein Massenmörder!"
Ray hob plötzlich die Hände und umfaßte Grahams Schultern. Er schüttelte ihn.
„Sagen Sie jetzt die Wahrheit, Graham . . . die Wahrheit!"
Graham befreite sich mit einer kräftigen und geschickten Bewegung. Sie verriet, daß er ein Mann war, der über eine beachtliche Körpergewandtheit verfügte. „Benehmen Sie sich nicht wie ein Narr, Crane. Ich bin ein geduldiger Mann, aber ich glaube bewiesen zu haben, daß meiner Geduld Grenzen gesetzt sind. Ich habe Ihnen freiwillig und in aller Offenheit die Wahrheit über den Grund des Besuches gesagt, obwohl es mir leicht gewesen wäre, Ihnen einen Bären aufzubinden. Daraus sollten Sie erkennen, daß ich keinen Grund habe, das Thema zu fürchten."
„Bisher erwähnten Sie mit keinem Wort, daß Sie meine Verlobte kannten!"
„Warum hätte ich das tun sollen? Nach allem, was geschehen
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