Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
ist, vor allem nach dem Mord an meiner Frau, hätten Sie mir gewiß auch den Tod Ihrer Verlobten angekreidet."
„Woher kannten Sie Patricia?"
„Du liebe Güte, wollen Sie jetzt die dummen Fragen des Kommissars wiederholen? Ich sah sie zum ersten Male auf dem White Roses Ball. Dort, wurde ich ihr vorgestellt. Dann trafen wir uns, teils zufällig, teils auf Verabredung, weitere acht- oder zehnmal. Insgesamt dreimal fand ich mich bei Miß Dwoning zum Tee ein... in ihrer Wohnung. Hat sie Ihnen denn nie davon erzählt?"
Ray dachte nach.
Ihm fiel plötzlich ein, daß Patricia tatsächlich berichtet hatte, einige Male einen jungen Handelsattache empfangen zu haben. Sie, die krankhaft Eifersüchtige, hatte offenbar gehofft, bei ihm, dem Verlobten, auf diese Weise ganz ähnliche Empfindungen auszulösen. Es war ihr niemals recht gelungen . . .
„Doch", sagte Ray müde. „Sie hat es erwähnt."
„Na, sehen Sie. Die Sache war absolut harmlos."
„Sie sagten vorhin etwas sehr Merkwürdiges. Sie äußerten die Furcht, ich könnte Ihnen den Tod meiner Verlobten ankreiden. Wie kamen Sie darauf? Ich denke, Sie halten mich für den Mörder?"
„Das will ich meinen . . . aber Sie bestreiten doch die Tat . . .oder?"
Ray schwieg, und Graham fuhr fort: „Ich muß mich auf das verlassen, was in den Zeitungen steht. Sie aber wissen sehr genau, daß ich Ann getötet habe. Kein Wunder, daß Sie nach Möglichkeiten suchen, den Mord an Patricia Dwoning anderen Leuten in die Schuhe zu schieben. Das ist ein höchst lächerlicher Versuch am untauglichen Objekt, Crane."
Ray fuhr sich über die schmerzenden Augen.
„Ich bin kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen", sagte er seufzend. „Ich gehe schlafen."
„Gute Nacht", erwiderte der Hausherr spöttisch. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Ruhe."
Nachdem Ray das Zimmer von innen verschlossen und die Wände auf das Vorhandensein von Tapetentüren abgeklopft hatte, trat er noch einmal ans Fenster, um sich zu überzeugen, daß niemand von außerhalb ins Innere des Raumes eindringen konnte. Er wußte selbst nicht recht, warum er diese Sicherheitsvorkehrungen traf, denn im Grunde war er davon überzeugt, daß ihm im Moment keine eigentliche Gefahr drohte. Graham brauchte ihn noch. Es kam dem Hausherrn zunächst darauf an, die Leiche seiner Frau beseitigen zu lassen.
An der glatten Fassade konnte sich kein Mensch halten; Ray durfte also das Fenster offen lassen, ohne das Eindringen eines Unbekannten befürchten zu müssen. Gerade, als Ray sich abwenden wollte, um endlich ins Bett zu schlüpfen, bemerkte er eine Gestalt, die aus den Schatten des Parkes trat und langsam auf das Haus zuging.
Es war eine junge Frau.
Ray war froh, daß er das Licht im Zimmer schon gelöscht hatte. Auf diese Weise konnte er ungesehen die Bewegungen der Fremden verfolgen. Wer war sie und was wollte sie?
Sie ging zwar ohne Eile, aber doch recht zielbewußt. Als sie dem Haus näher kam, faßte sich Ray an den Hals.
Das war ja Ann . . . die tote Mrs. Graham.
Der Mond war in dieser Nacht von dünnen Wolken verborgen und sein bleiches Licht hatte einen milchig-diffusen Charakter. In dem seltsamen, geisterhaften Leuchten, das über der Wiese hinter dem Haus lag, erschien die Unbekannte fast wie ein Gespenst . . . ein Eindruck, der durch ihren hellen Staubmantel noch verstärkt wurde.
Als sie jedoch näher gekommen war, vermochte Ray festzustellen, daß es weder Mrs. Graham noch ihr Geist sein konnte.
Die Unbekannte war etwas kleiner als die ermordete Hausherrin. Außerdem trug sie das Haar kürzer und modischer, Es war nicht zu erkennen, ob das Haar rot war. Dafür wurde jetzt deutlich, daß die Fremde noch jung war . . . man vermochte das an ihren Bewegungen zu erkennen. Handelte es sich um eine Freundin Grahams? War es diese Gloria, mit der er das Telefongespräch geführt hatte? Aber warum kam sie so still und heimlich ins Haus?
Ray pfiff leise durch die Zähne. Sie weiß ja noch nichts vom Tod der Mrs. Graham, überlegte er. Wahrscheinlich ist sie die Freundin des Hausherrn und betritt das Grundstück häufig auf diese Weise. Dieser verdammte Graham.
Er ermordete seine junge Frau aus Eifersucht und war doch um keinen Deut besser als sie; offenbar hatte er es mit der Treue nie allzu genau genommen. Wieder plagte Ray der Gedanke, in welchen Beziehungen Graham zu Patricia gestanden haben könnte. Das Mädchen tauchte jetzt in die tiefen lastenden Schatten des Hauses ein und schien sich
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