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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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beugte sich über die Reling und beobachtete einen Kran, der eine schöne schwarzgoldene Limousine emporhievte. Weiter oben in der ersten Klasse herrschte sehr viel Wohlstand an Bord, obwohl May wusste, dass man ihresgleichen wohlweislich von solch wichtigen Passagieren fernhalten würde. Sie würden in zwei verschiedenen Welten an Bord leben, doch das machte ihr nichts aus, solange sie alle sicher in New York ankamen.
    May drehte sich zu Joe um und fühlte die Brise auf Ellens kalten Wangen. Höchste Zeit, nach drinnen zu gehen. Sie wollte weder mit ansehen, wie das Schiff sich von ihrem Heimatland entfernte, noch den tränenreichen Abschied der Verwandten, die noch einmal für einen letzten Blick auf ihre Lieben stehenblieben. Der Tag war lang gewesen, und sie wollte ihre Erkundung unter Deck weiter fortsetzen. Sollte sie sich verlaufen, waren Stewarts da, die ihr halfen, und sie hatte sich die Nummer ihrer Kabine gemerkt. Je nach Wetterlage würden sie sieben Nächte über sich ergehen lassen müssen, dachte sie seufzend. Sie hoffte nur, dass sie bis Mittwoch durchhielt.
    Später schritt Joe ungeduldig in der kleinen Kabine auf und ab. »Warum verkriechst du dich hier drinnen wie ein Einsiedlerkrebs, wenn es doch so vieles zu entdecken gibt? Da spielt ein Klavier, es wird gesungen, und wir können uns das Orchester anhören, einen Happen essen. Ich habe noch nie eine so große Auswahl auf einer Speisekarte gesehen: Pasteten, Torten, Salate. Wir sollten uns den Magen füllen, solange wir können«, riet er ihr.
    »Geh ruhig …«, erwiderte May, die stöhnend in ihrer Koje lag. »Meinem Magen ist nicht danach. Ich habe keine Lust herumzulaufen. Jetzt ist alles gedrängt voll. Wir kennen niemanden, und die Hälfte der Leute, die ich gesehen habe, spricht kein Wort Englisch, seit wir die Gruppe in Cherbourg an Bord genommen haben. Was die für einen Aufruhr machen.«
    »Wir sitzen alle im selben Boot, Liebling.« Joe lächelte. »Alle wollen in der Neuen Welt einen neuen Anfang machen. Missgönne ihnen nicht ihre Chance.«
    »Das mach ich ja auch nicht, nur fühle ich mich hier sicher. Ich kann es nicht erklären, aber ich fühle mich einfach sicher, wenn alle meine Sachen um mich herum sind.«
    »Niemand wird etwas stehlen.« Joe lächelte unternehmungslustig.
    »Man kann nie wissen.«
    »Oh, May, du bist komisch. Wir sind hier auf hoher See – wo sollten sie denn hinlaufen? Und was können sie uns schon stehlen?«
    »Die schönen Laken zum Beispiel, die ich geschenkt bekommen habe«, hielt sie ihm vor, wohl wissend, dass sie sich wie ein Miesepeter aufführte.
    »Mit unseren Initialen drauf? Sei nicht albern! Die besitzen wahrscheinlich viel schönere. Komm schon, lass uns sehen, dass Ellen ein bisschen frische Luft bekommt, bevor wir uns zum Schlafen zurückziehen.«
    »Ich habe dieses komische Gefühl in der Magengrube, seitdem ich gesehen habe, wie groß die
Titanic
ist«, wandte May ein. »Ich kann es nicht ändern. Geh du nur und lass mir meine Ruhe.«
    »Jetzt machst du dir düstere Gedanken; das sieht dir gar nicht ähnlich«, erwiderte Joe. »Frische Luft wird dir guttun.«
    »Vermutlich hast du ja recht, hier zu liegen ändert nichts; ich wünschte nur, ich würde mir nicht solche Sorgen machen.« May zog ihre Wolljacke und den dicken Schal an, steckte ihre Tellermütze fest und hüllte Ellen in ihr kariertes Umschlagtuch.
    »Das ist schon besser. Komm, wir schauen uns die Sterne an und wünschen uns was.« Joe ergriff ihre Hand.
    May lächelte zu ihrem Mann auf. Sie musste Joes gesundem Menschenverstand vertrauen. Er gehörte zu den Männern, die im Leben nur Schläge erfahren hatten, ohne Eltern, ohne Geld, keine Ausbildung. Jetzt wollte er etwas aus sich machen, komme, was da wolle. Wie hätte sie einen solchen Mann nicht lieben sollen?
    Trotz ihrer Bedenken schlief May in jener ersten Nacht auf See gut. Die Mahlzeiten im Speisesaal waren köstlich und beruhigten ihren Magen. Es war eine Wonne, sich bekochen und bedienen zu lassen, und so hatten sie und Joe die Möglichkeit, an Deck herumzuschlendern und Ellen zwischen sich tapsen zu lassen. Nach ihrem Zwischenstopp in Irland läge dann nur noch das graue offene Meer zwischen ihnen und ihrem Ziel. Sie musste versuchen, sich zu entspannen und diese einmalige Reise zu genießen.
    Es war kalt, und sie war froh um ihre dicke Jacke und Joes Überzieher. Ellen trug mehrere Schichten gestrickter Wolle mit einem gefütterten Mantel, einem Häubchen und festen

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