Schiffbruch und Glücksfall
spendiert.«
»Matt, zahlen! Oder soll ich euch wegen Zechprellerei anzeigen.«
»Sag mal, spinnst du?« Ganz klar war seine Aussprache nicht mehr.
»Hinsetzen, ich hole die Rechnung. Getrennt oder übernimmst du das?«
»Mann, bin ich Krösus?«
»Weiß ich nicht. Jedenfalls hast du deine Bekannten hierhergebracht. Also – du bekommst die Rechnung, macht die Aufteilung unter euch aus. Wir nehmen auch Karte.«
Kelda streckte die Hand aus, Matt nahm sein Glas und schüttete ihr den Rest Rotwein über die Bluse.
Die vier Veteranen standen auf.
Was sie sagten, verstand sie nicht besonders gut. Das hiesige Argot war ihr nicht geläufig, wohl aber der Ton. Und der sprach von blumenreichen Beleidigungen.
Der Rastalockige reichte ihr seine Kreditkarte.
Kelda eilte in die Küche, um den Betrag abzubuchen und ihm die Rechnung auszudrucken. Wenigstens einer der Jungs hatte noch einen kleinen Sinn für Anstand. Sie beeilte sich, beides zurückzubringen, bevor es zu Handgreiflichkeiten kam. Die Alten hatten sich so vor dem Tisch aufgebaut, dass keiner der anderen gehen konnte, ohne sie derb zur Seite zu stoßen. Eine vermutlich oft geübteTaktik. Sie nickte ihnen zu, gab dem Rastaboy Karte und Rechnung mit einem trockenen Danke und bat die kampfbereiten Veteranen leise, vom Tisch zurückzutreten.
Sie taten ihr den Gefallen, und Matt samt Clique standen auf. Allerdings stolperte Matt so ungeschickt – oder so geschickt –, dass der Tisch mit all seinen Tellern und Gläsern umkippte.
»Einen schönen Tag noch, liebe Kelda!«, höhnte er.
Sie betrachtete den Scherbenhaufen. Von irgendwoher klang ein triumphierendes Miauen, und als sie in die Richtung sah, aus der es kam, erkannte sie Soquette auf dem First des Anbaus sitzen. Sie putzte sich den Schwanz, hob einmal kurz den Kopf und blinzelte ihr zu.
»Okay, Soquette, das ging nicht auf deine Rechnung. – Ich danke Ihnen, meine Herren«, sagte sie zu den Veteranen.
»Hat uns Spaß gemacht, was, Didier? Wisst ihr noch, damals …«
Wehmütige Erinnerungen an Kneipenschlägereien kamen auf, als sie sich an ihren Tisch verzogen. Kelda spendierte ihnen das nächste Pichet Cidre und räumte den Scherbenhaufen auf.
»Mist«, sagte Marie-Claude.
»Ja, ich weiß. Ich ersetze dir das Geschirr.«
»Brauchst du nicht, Kelda. Das war nicht deine Schuld. Randalierer gibt es immer mal wieder. Und du hast sie dazu gebracht zu zahlen.«
»Es ist zum Kotzen, Marie-Claude. Matt führt sich auf wie der letzte Idiot.«
»Sein Weltbild ist erschüttert, Kelda. Er hat dich für eine sichere Bank gehalten, und du hast ihm den Teppich unter den Füßen weggezogen. Ich fürchte, er wird dir noch weiter Schwierigkeiten machen.«
»Ich werde abreisen.«
»Und dann? Dann kreuzt er in deiner Wohnung auf, und das Spiel geht weiter.«
Müde setzte sie sich auf die Eckbank. »Stimmt, das ist nicht die Lösung.«
»Kelda, bleib hier, geh ihm aus dem Weg, und wenn du nach Hause kommst, tauschst du die Schlösser aus und stellst ihm seinen Koffer vor die Tür. Obdachlos wird er ja nicht – er kann in seinem Wohnmobil leben, bis er eine eigene Wohnung gefunden hat.«
»Eine überdenkenswerte Idee. Gut, ich bleibe hier, aber das Geschirr musst du mich ersetzen lassen.«
Plötzlich grinste Marie-Claude. »Dann mach deinen Bußgang – zu Yves
Truc et Puces
. Such mir ein schönes Service aus. Wenn möglich, gleich mit Gläsern.«
»Vom Trödelmarkt?«
»Lass dich überraschen. Wenn ich Zeit hätte, würde ich dich begleiten, aber heute Nachmittag kommen der Weinhändler und der Klempner.«
»Also gut, aber ich brauche deinen Wagen.«
»Der Schlüssel liegt auf der Kommode.«
Gerümpel
Simon reichte Xavier eine letzte Kiste zu, dann war der Speicher endlich leergeräumt. Unglaublich, welche Mengen von Dingen sich im Laufe der Jahre in den alten Häusern anhäuften. Es sollte einem eine Mahnung sein, sich selbst nicht mit unnötigem Zeug zu belasten. Es reichte, was man so an Erinnerungen mit sich herumschleppte.
Xavier stand in dem leeren Raum und sah sich um. Simon vermutete, dass er weder die feuchten Stellen betrachtete, die durch das undichte Dach entstanden waren, noch die staubigen Spinnwebgirlanden, die sich unter dem – immerhin soliden – Gebälk entlangzogen. Ziemlich genau hundert Jahre war die Villa alt, gebaut in der Zeit, als Brignogan zu einem vornehmen Seebad aufgestiegen war.
Alte Häuser hatten Simon schon immer gereizt, ein Grund, warum er Architektur studiert
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