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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Chisnell
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Augen und ignorierte das Brennen des Salzwassers. Der Mann am Steuer jagte den Motor noch einmal hoch und versuchte dann, über die ruhige Seite einer Welle zu den brechenden Ausläufern hinunterzureiten. Wieder kam das Ruderblatt aus der Welle. Sofort legte er hart Ruder, doch das Heck kam so hart herum, dass das ganze Boot wild bockte, herumschleuderte und durch die aufstäubende Welle raste, während er mit unbewegtem Gesicht auf das flache Wasser zuhielt. Anna rutschte hin und her, biss die Zähne fest zusammen und versuchte verzweifelt durchzuhalten. Doch die Drehung war zu hart gewesen. Die Außenborder protestierten, heulten noch einmal auf, keuchten beim Wiedereintritt ins Wasser und starben ab.
    Die plötzliche Stille verhieß eine Katastrophe. Alle schauten nach achtern. Eine heranrollende Welle stellte sich senkrecht auf – der Motor war in der Talsohle vor einer gewaltig überkommenden Welle verendet, die sich jetzt hoch auftürmte und dann über alle hereinbrach. Das Boot begann an der Flanke hinabzurauschen und legte sich immer mehr auf die Seite. In der Luft überlagerte ein bösartiges Rauschen das Stottern der Motoren, als sie überdrehten, und die Angstschreie der verzweifelten Passagiere. Der Steuermann versuchte es noch mal – nichts. Anna blieb ganz still – alles andere war zwecklos. Sie ließ sich auf den Boden des Schlauchboots rutschen, legte sich auf die Seite, atmete immer wieder tief ein und versuchte, für den unvermeidlichen Überschlag genug Luftreserven in der Lunge zu haben.
    Plötzlich kehrten die Motoren stotternd wieder ins Leben zurück. Der Typ am Ruder reagierte intuitiv und brillant. Hätte er zu viel Gas gegeben, wären die Motoren sofort wieder abgesoffen. Die nächste Welle rollte heran, während er die Drehzahl anpasste. Einen Moment lang sah es so aus, als ob er zu spät reagierte – die Welle stürzte über ihnen zusammen, ertränkte sie fast, und das Boot torkelte und taumelte und schlug unkontrolliert auf. Doch dann griffen die Propeller der Außenborder wieder und schoben es kraftvoll auf den Wellenkamm. Das war die Rettung. Das Boot schoss aus eigenem Antrieb vorwärts, sein Steuermann unterstützte es mit Ruder und Gashebel, bis die Motoren wieder rund liefen, und gab dann voll Speed. Das Schlauchboot schoss durch einen Vorhang aus Gischt und war in Sicherheit.
    Damit war die letzte Hürde genommen. Die Monsterwelle rauschte an den Untiefen aus, die einer Flussmündung vorgelagert waren, dabei schlingerte das Boot gekonnt um eine vorgelagerte Landzunge und landete im Schutz der luvwärtigen Küste. Die Motoren verstummten im flachen Wasser, und Anna versuchte, sich wieder in eine sitzende Position zu schieben. Herunterhängende Zweige rasten im Wind, der Regen klatschte senkrecht auf die harten Gummiwülste und durchnässte die Schwangere bis auf die Haut, während sie die Beine eng an den Körper zog. Anna versuchte, sich in ihr seidenes Kleid zu wickeln, doch obwohl sich die Verkrampfung der Muskeln etwas entspannte, verursachte ihr der Gedanke an das, was ihr unmittelbar bevorstand, neue Schmerzen. Warum hatten sie gestoppt? Anna fühlte sich bis in den Kern ihrer traumatisierten Seele den Piraten ausgeliefert. Sie fühlte, wie sich die Babies in ihrem Bauch bewegten, fühlte, dass sich ihre Angst auf die winzigen Lebewesen übertragen hatte, die in ihr heranwuchsen. Anna war kein Zuckerpüppchen, und schon früher war sie mit Schrecken, Angst und Entbehrungen konfrontiert gewesen, aber an diesem Tag hatte sie Dinge mit ansehen müssen, die sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht ausgemalt hätte.
    Da waren der große, hagere Richardson und die Art, wie er in den Tod gegangen war. Da war sein verwirrter Gesichtsausdruck – jeder von der Mannschaft hatte diesen verwirrten Gesichtsausdruck –, als Phil nicht aufgetaucht war. Dann der zunehmende Terror, während die Minuten verstrichen. Alle hatten vorwurfsvoll auf sie geblickt. Und dann explodierte plötzlich die Aggression. Keiner hatte sich von der Stelle bewegt. Sie schloss die Augen, als sie die Szene vor ihrem geistigen Auge sah, doch die Bilder quälten sie nur umso deutlicher. Alle hatten stocksteif dagestanden und zitternd gewartet, während ihre Überlebenschance ins Nichts zerrann. Schließlich hatte eine Salve aus der Maschinenpistole dem Leben ein Ende gesetzt, gefolgt von einer sorgfältig gezielten Kugel für jeden Körper, der noch zuckte – bis schließlich der Regen über die

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