Schiffe versenken
hingemähten Toten hinwegrauschte, die Blutströme wegwusch und der Wind an den Kleidern zerrte. Die Verbrecher hatten ihre Opfer wie Abfall in den Laderaum entsorgt, und über allem hallte der Lärm des Maschinengewehrfeuers, während sie versuchten, den Mann abzuschießen, den sie liebte. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Immer wieder stellte sie sich die gleichen Fragen. Was war auf dem Schiff vor sich gegangen? Warum war Phil nicht aufgetaucht? Was hatte er von den Ereignissen mitbekommen? Wo war er jetzt? Hatte er in diesem Schießstand überlebt, in den sein Rettungsversuch das Schiff verwandelt hatte? Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander und wurden immer düsterer, je länger sie wartend und regungslos dasaß.
Sie sah den Hubschrauber nicht, der auf der Shawould landete, aber das Leuchtsignal, das an einem Fallschirm hinabschwebte, war für den Amerikaner Grund genug, erneut den Gang einzulegen und mit dem Boot die Sicherheit der Mangroven zu verlassen. Von der Crew sagte niemand ein Wort. Nachdem sie den Ritt durch die Brandung überstanden hatten, wären sie normalerweise wie Schulkinder in ein fröhliches Gelächter ausgebrochen, aber der Amerikaner war offensichtlich wütend. In einem Land, wo die Menschen nicht mehr als eineinhalb Dollar pro Tag verdienen, bedeutet ein Menschenleben nicht viel, doch die Gewalttätigkeit ihres Bosses verschreckte sogar diese Männer. Wenn sie überleben wollten, mussten sie Ruhe bewahren, damit seine Wut langsam verrauchen konnte, jede Provokation hätte einen neuen Gewaltausbruch provoziert.
Der Amerikaner legte einen Zahn zu, bis das Schlauchboot eine fluoreszierende Kielwelle durch das dunkle Wasser zog. Der Lärm der Motoren und des Regens verhallte gedämpft in den Mangroven, die sich an den Ufern des enger werdenden Flusses entlangzogen, und in dieser mondlosen, von Regenwirbeln durchtränkten Nacht konnte man nicht weiter schauen als bis zu den Schatten des Blattwerks. Die Männer im Boot erschienen wie gesichtslose Schatten.
Dann motorte das Schlauchboot hinter dem Leichter her. Auf keinem der beiden Schiffe fiel ein Wort, während sie durch immer enger werdende Biegungen den Fluss hinauffuhren. Irgendwann schimmerte etwas Helles durch den dichten Regenvorhang; bald ließ sich eine Hand voll Lichter ausmachen, die deutlicher wurden, je weiter die dichten Mangroven nach jeder Kurve zurückwichen. Schließlich tauchten ein paar auf Pfähle gebaute Häuser auf. Feuerstellen und Gaslampen leuchteten durch Türöffnungen und rissige Wände. Das Schlauchboot verringerte die Geschwindigkeit und hielt auf ein paar dunkle Gestalten zu, die auf der Veranda eines einstöckigen Holzhauses hockten.
Der Amerikaner legte an, und nachdem ein paar seiner Männer ans Ufer gesprungen waren und das Boot vertäut hatten, wandte er sich Anna zu. Sie starrte auf die weißen Knöchel ihrer linken Hand, aus der Blut zwischen den Fingern hervorkam. Erst jetzt registrierte sie, dass sie sich an der Greifleine die Haut aufgerissen hatte, an der sie sich bei dem Ritt durch die Flussmündung festgeklammert hatte. Der Amerikaner gab ihr zu verstehen, dass sie bleiben solle, wo sie war, ehe er aus dem Boot sprang. Dann ließ sie zu, dass er sie aus dem Boot zog. Sie stolperte auf dem holprigen Boden und schlang sofort schützend die Arme um ihren Bauch. Sie machte sich große Sorgen um ihre Babies, doch die Erinnerungen an die Ereignisse auf dem Schiff und an die Morde sollten vor dem verblassen, was sie erwartete.
Im Inneren des Hauses kauerte eine Frau vor einem Feuer, der Deckel auf einem dampfenden Kochtopf klapperte vor sich hin. Anna wurde eine Matte in einer Ecke angewiesen. Sie ließ sich darauf nieder und schaute zu, wie jemand ein paar Gaslampen anzündete, woraufhin der Raum von einem gelben Licht durchflutet wurde. Der Amerikaner stand neben der Tür und starrte hinaus in den Regen. Zum ersten Mal konnte Anna ihn genau sehen. Sie registrierte seine triefnasse, dreckige Uniformjacke und einen schweren Revolver im Schulterholster unter dem Arm sowie das unrasierte brutale Kinn. Wasser tropfte aus dem kurz geschorenen, rötlich-gelben Haar über das verlebte, von der Sonne mit vielen Falten verunzierte Gesicht. Immer wieder blinzelte er, um die Wassertropfen von seinen Wimpern zu schütteln, die graue mitleidlose Augen verdeckten. Ansonsten stand er da wie eine Statue. Alle anderen warteten.
Schließlich drehte er sich zu seinem Zweiten um, der sie hier hereingeschleppt
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