Schiffe versenken
morgen früh jeder an der Suche beteiligen kann. Ich muss als Erstes nach Palembang und will eine Liste von allem, was wir von der Shawould übernommen haben. Morgen treffe ich den Eigner. Das Zeug bleibt vorerst hier – ich entscheide später, wie wir es loswerden – sobald wir wissen, wie gewaltig die Kacke am Dampfen ist. Eine tote Crew und ein verschwundener Hamnet, das ist nicht nach Plan.« Janac schüttelte den Kopf. »Und ich brauche das Geld.«
Bureya nickte stumm, während sich Janac umdrehte und zurück zur Tür ging, von wo er in die Dunkelheit und den Regen hinausstarrte. So rasch wie er aufgebraust war, verschwand sein Zorn auch wieder. Er ließ den Zylinder seines Revolvers herausschnappen und drehte sorgfältig die Trommel, ehe er die Waffe ins Holster zurücksteckte. Dann schaute er zu Anna, die immer noch ihren Bauch umschlang.
Hin- und hergerissen von widersprüchlichen Gefühlen war sie von Panik ergriffen, ihre Babies zu verlieren, was aber nicht vergleichbar war mit der Angst, die sie auf der Fahrt gequält hatte. Sie hasste sich dafür, dass man ihr diese Angst ansah, statt dass sie dem Kerl einfach ins Gesicht spuckte. Sie hasste sogar die Babies, weil sie sie in diese hilflose Lage zwangen. Und sie hasste sich selbst für diese Gefühle.
Bureyas schwere Schritte polterten über den Holzboden, als er zum Feuer ging und sich eine Tasse Kaffee einschenkte. Nach dem ersten Schluck stellte er sich neben Janac in die offene Tür.
Der warf ihm einen Blick zu und sagte in den Regen hinaus: »Ich werde ein paar Tage weg sein und checken, wie der Laden jetzt laufen soll und ob Hamnet irgendwo auftaucht. Du übernimmst hier die Verantwortung.« Er nickte in Richtung von Anna. »Wenn Hamnet verschwunden bleibt oder das Maul hält, lassen wir sie hier. Ich werde alles in die Wege leiten, während ich weg bin. Also pass gut auf sie auf – dass sie keiner anrührt! Besorg ihr was zum Anziehen und gib ihr was Vernünftiges zu essen. Aber falls ihr Hamnet findet, dann wartet nicht, bis ich zurück bin. Bringt die beiden um!«
Kapitel 5
Ebenso plötzlich wie der Sturm begonnen hatte, hörten Wind und Regen wieder auf. Hamnet, der die ganze Nacht über von heftigen Krämpfen geplagt worden war, hatte den Kopf auf eine gekrümmte Mangrovenwurzel gebettet, um nicht wieder unter Wasser gezogen zu werden, wenn er einnickte. Er war immer wieder eingeschlafen und hochgeschreckt, und jetzt gönnten ihm die Naturgewalten endlich Ruhe. Einmal hatte er ein Licht gesehen – einen schwachen orangefarbenen Schimmer – irgendwo östlich. Aber er war zu erschöpft gewesen, um zu reagieren, und schließlich hatte ihn der Schlaf in seine dumpfen Arme gezogen. Erst im letzten Moment hatte er wieder versucht, dagegen anzukämpfen.
Letztendlich war es der Gedanke an Anna, der ihn wachhielt. Sein heftiger Zusammenstoß mit dem Schott, als das Schiff auf Grund lief, hatte gewaltige Kopfschmerzen hinterlassen, und immer wieder fuhr er mit der Hand sanft über den Bluterguss – den Verband hatte er längst verloren. Die Haut schien nicht aufgeplatzt zu sein, und als er seine ganze Kraft zusammennahm und sich aufrichtete, lief eine Welle des Schmerzes durch den ganzen Körper. Dann setzte sich Hamnet still hin und schaute sich um. Der Himmel war klar, lediglich über den sanften Hügeln der Insel hingen einige Kumuluswolken, aus den Mangroven stieg Dunst auf, und das Wasser schimmerte schwarz. Zu seiner Linken konnte er die Shawould ausmachen, die friedlich mit einer 40-Grad-Schlagseite dalag. Es waren keinerlei Lebenszeichen zu entdecken. Auch sonst gab es keinen Hinweis mehr auf den blutigen Überfall während der Nacht; doch das Schiff war nicht sein vordringlichstes Problem, er musste Anna finden. Nur dieser Gedanke zählte. Natürlich hatte er alles verloren – hatte keinen Pfennig Geld mehr, keine Papiere, nichts zu essen oder zu trinken –, und er kannte nur einen Mann, dem er vertrauen konnte, der ihm helfen und wissen würde, wo er ansetzen musste.
Hamnet durchforstete sein Gedächtnis nach Einzelheiten auf der Karte dieser Gegend, um zu entscheiden, wohin er sich wenden sollte. Hier irgendwo lag eine Hafenstadt namens Palembang, schätzungsweise achtzig Kilometer landeinwärts, und er erinnerte sich auch an einen größeren Fluss, der sich von der Malakkastraße aus nordwärts ins Landesinnere zog. Aber für die Region dazwischen fehlte ihm jede Ortskenntnis. Er drehte sich um und schaute nachdenklich
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