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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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Gürtel, keinen Weidenstock. Seine blauen Augen mochten leuchten wie Kristall, doch er war noch immer ein ruhiger Ozean.
    » Ich hatte bei der Arbeit einen Unfall«, sagte Nailer.
    » Einen Unfall? Oder hast du dich nur dumm angestellt?«
    » Nein …«
    » Von Mädchen geträumt, was?«, hakte sein Vater nach. » An rein gar nichts gedacht?« Er wies mit einer Kopfbewegung auf das Bild eines Klippers, das Nailer an die Wand gehängt hatte. » Hast du wieder von deinen hübschen Segelschiffen geträumt?«
    Nailer ließ sich nicht ködern. Jeder Widerspruch würde die Sache nur noch schlimmer machen.
    » Und wie willst du dir deinen Lebensunterhalt verdienen, wenn deine Kolonne dich rausgeschmissen hat?«, fragte sein Vater.
    » Mich hat niemand rausgeschmissen«, erwiderte Nailer. » Ich arbeite morgen wieder.«
    » Yeah?« Sein Vater kniff die blutunterlaufenen Augen misstrauisch zusammen. Er deutete auf den zerschlissenen Verband, den Pimas Mutter Nailer um die Schulter gewickelt hatte. » Mit einem lahmen Arm? Bapi verteilt keine Almosen.«
    Nailer zwang sich, nicht nachzugeben. » Er braucht mich trotzdem. Sloth ist rausgeflogen, also bin ich jetzt die einzige Spürnase. Ich bin kleiner …«
    » Kleiner als ein verdammter Wurm. Yeah. Immerhin etwas.« Sein Vater trank einen Schluck aus der Flasche. » Wo ist deine Atemmaske?«, fragte er.
    Nailer zögerte.
    » Na los?«
    » Ich habe sie verloren.«
    Das Schweigen schien kein Ende zu nehmen. » Verloren, was?«, sagte sein Vater schließlich, mehr nicht. Aber Nailer ahnte, dass er innerlich kochte, ein von Drogen und Zorn genährter Wahnsinn, der seinen Vater dazu bringen konnte, wie manisch zu arbeiten oder wie wild um sich zu schlagen. Unter den tätowierten Gesichtszügen von Richard Lopez braute sich ein Unwetter zusammen, ein wildes Meer, das von turmhohen Wellen und gischtender Brandung aufgewühlt wurde, und auf dem sich Nailer jeden Tag aufs Neue zurechtfinden musste, um nicht darin zu ertrinken. Sein Vater dachte nach. Und Nailer musste unbedingt wissen, worüber – oder es würde ihm nie und nimmer gelingen, aus der Hütte rauszukommen, ohne Prügel zu beziehen.
    Nailer versuchte es mit einer Erklärung. » Ein Schacht ist eingebrochen, und ich bin in einem Ölreservoir gelandet. Fast wäre ich nicht mehr da rausgekommen. Die Maske war völlig mit Öl verklebt. Nicht mehr zu retten.«
    » Was nicht mehr zu retten ist, entscheide immer noch ich«, fauchte sein Vater. » Da hast du rein gar nichts zu melden!«
    » Nein, Sir.« Nailer biss sich auf die Lippen.
    Richard Lopez klopfte mit seiner Flasche müßig gegen die Stuhllehne. » Und jetzt willst du bestimmt eine neue Maske haben, was? Du hast dich ja immer beschwert, dass die alte nichts taugt.«
    » Nein, Sir.«
    » Nein, Sir«, äffte sein Vater ihn nach. » Vielleicht wird aus dir ja noch was. Immerhin sagst du jetzt schon die richtigen Sachen.« Er lächelte und bleckte dabei gelbe Zähne, die wie eine Hand auseinandergespreizt waren. Die Flasche klopfte allerdings noch immer gegen die Stuhllehne. Nailer fragte sich, ob sein Vater versuchen würde, sie nach ihm zu werfen. Richard Lopez’ Raubtieraugen ruhten lange auf ihm. » Du wirst noch ein richtig schlauer Hund«, murmelte er. » Fast könnte man meinen, dass du schlauer bist, als gut für dich ist. Vielleicht sagst du ja lauter Dinge, die du gar nicht so meinst. Ja, Sir. Nein, Sir. Sir! «
    Nailer hielt den Atem an. Er wusste, dass sein Vater sich bereits überlegte, was er mit ihm machen, wie er ihm Respekt beibringen konnte. Nailers Blick schweifte zur Tür. Aber so high sein Vater auch sein mochte, er würde ihn wahrscheinlich erwischen, und dann würde Blut fließen und Nailer hätte keine Chance mehr, zur Arbeit zurückzukehren, bevor Bapi ihm die Tätowierung aufschlitzte.
    Nailer verfluchte sich dafür, dass er nicht direkt zu Pimas Mutter gegangen war. Wieder schaute er zur Tür hinüber. Wenn er doch nur …
    Aber sein Blick war Richard nicht entgangen. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er stand auf und schob den Stuhl beiseite. » Komm her, mein Junge.«
    » Ich habe ein Glücksgeschenk mitgebracht«, sagte Nailer hastig. » Etwas wirklich Gutes. Weil ich das Öl gefunden habe.«
    Nailer achtete darauf, dass seine Stimme nicht zitterte, als wüsste er nicht, dass sein Vater ihn gleich windelweich prügeln würde. Er tat völlig unschuldig und versuchte nicht, an das zu denken, was ihm bevorstand. » Ich hab es gleich

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