Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
Vom Netzwerk:
schnittig, völlig anders als die rostigen Wracks, die Nailer sein ganzes Leben lang auseinandergenommen hatte. Diese Klipper mit den uralten Tankern zu vergleichen war, als würde man aus einem düsteren Frachtraum unvermittelt ans Tageslicht treten.
    Als sie näher kamen, kniff Nita die Augen zusammen und sagte: » Das sind keine von uns.« Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen.
    Auch Nailer spürte Enttäuschung in sich aufsteigen, kämpfte das Gefühl aber nieder. Es war unwahrscheinlich gewesen, auf Anhieb ein freundlich gesinntes Schiff zu finden. Trotzdem, in dem Hafen herrschte reger Verkehr. Unablässig trafen neue Schiffe ein. In ebendiesem Moment entfaltete einer der Klipper seine Segel – lange, sich wellende Stoffbahnen, die von Seilrollen an ihren Platz gezogen wurden. Sie knatterten im Wind, als das Schiff ablegte und langsam Fahrt aufnahm.
    » Wir kommen morgen wieder hierher«, sagte Nailer.
    Nita nickte, hatte aber noch immer den Blick auf die Schiffe gerichtet, als könnte sich eines davon plötzlich in etwas anderes verwandeln. Schließlich zuckte sie mit den Achseln, und sie stapften durch das flache Wasser und über die Planken nach Orleans zurück, während es allmählich dunkel wurde.
    An jenem Abend kauften sie an einer Garküche Ratten am Spieß und schauten dem Verkehr auf dem Fluss zu, während sie aßen. Kleine Boote stakten, mit Vorräten beladen, an ihnen vorbei; an Bord waren Arbeiter und Seeleute auf Landgang. Von irgendwoher in der Ferne hallte der traurige Klang von Blechblasinstrumenten zu ihnen herüber, eine Totenklage vermutlich. Ein paar Kinder spielten in dem schwarzen Wasser. Für Nailer war ihre Anwesenheit ein Zeichen dafür, dass sie hier einigermaßen sicher waren. Die wirklich harten Säufer und Slide-Abhängigen trieben sich offenbar anderswo herum.
    Das Lärmen der Grillen und Zikaden erfüllte die Abendluft. Moskitos umschwärmten sie gierig. Die Insekten waren viel zudringlicher als am Strand. Dort wehte sie die Meeresbrise davon, aber hier, in der stehenden Luft der Sümpfe, fielen sie unerbittlich über die Menschen her. Nailer und Nita schlugen nach den Blutsaugern, während Tool ihnen amüsiert zusah. Nailer fragte sich, ob Tools Haut vielleicht ungewöhnlich dick war, oder ob irgendetwas an ihm die Moskitos vertrieb.
    » Wie viel Geld hat Sadna dir gegeben?«, fragte Tool.
    » Ein paar Rote und einen gelben Schein.«
    » Das ist alles?«, fragte Nita und biss sich sofort auf die Lippen.
    » Dafür musst du zwei Wochen bei der Schweren Kolonne schuften«, entgegnete Nailer. » Wieso, gibst du das sonst an einem Nachmittag aus?«
    Nita schüttelte den Kopf, schwieg jedoch.
    » Morgen werdet ihr arbeiten müssen«, sagte Tool, » wenn ihr essen wollt.«
    » Wo?«, fragte Nailer.
    Tool starrte ihn aus gelben Augen an. » Du bist nicht dumm. Überleg es dir selbst.«
    Nailer dachte nach. » An den Docks. Wenn wir dort Arbeit bekommen, können wir gleichzeitig Geld verdienen und nach Nitas Leuten Ausschau halten.«
    Tool nickte und wandte sich ab. Nailer fasste das als Zustimmung auf.

1 8
    Arbeit zu finden, war nicht schwer. Arbeit zu finden, die so gut bezahlt wurde wie das Ausschlachten der Tanker, war unmöglich. Tool kam natürlich sofort unter – starke Arme, die dabei halfen, Lasten umzuladen, wurden immer gebraucht. Nailer und Nita dagegen mussten sich, ohne ein Klansystem, Gewerkschaftskontakte oder eine Familie, mit einfachen Arbeiten begnügen. Sie übernahmen Botengänge, trugen kleinere Lasten und bettelten. Ein Mann in einer Gasse bot ihnen an, ihr Blut zu kaufen, aber seine Hände und seine Nadeln waren schmutzig, und sein Blick verriet, dass er es auf mehr abgesehen hatte als nur auf ihre Venen. Sie rannten weg und waren froh, dass er ihnen nicht folgte.
    Eine Woche verging, dann zwei. Allmählich gewöhnten sie sich an ihr armseliges Dasein, während sie zuschauten, wie Schiffe an- und ablegten; jedes neue weiße Segel brachte eine weitere Enttäuschung.
    Nailer hatte erwartet, dass Nita weiterhin deutlich machen würde, wie sehr ihr die Slums von New Orleans zuwider waren, aber sie passte sich erstaunlich schnell an und achtete auf alles, was Tool und Nailer ihr beibrachten. Sie arbeitete hart, machte bei allem mit und beschwerte sich nie darüber, was sie aßen oder wo sie schliefen. Sie war immer noch ein Bonzenmädchen, das sich manchmal komisch verhielt, aber sie gab sich alle Mühe, sich nützlich zu machen. Nailers Respekt für sie

Weitere Kostenlose Bücher