Schiffsdiebe
wuchs.
Schließlich, als sie früh morgens, die Arme bis zu den Ellbogen in Blut, schwarze Aale für eine Garküche ausnahmen, gestand er ihr, was er dachte.
» Du bist in Ordnung, Lucky Girl.«
Nita filetierte einen weiteren Aal und warf den Kadaver in den Eimer, der zwischen ihnen stand. » Yeah?« Sie hörte ihm nur halb zu, während sie arbeitete.
» Yeah. Du kannst zupacken«, erwiderte Nailer, riss einen frischen Aal aus einem anderen Eimer und reichte ihn ihr. » Wenn wir noch am Strand wären, würde ich mich bei unserer Leichten Kolonne für dich verbürgen.«
Nita nahm den Aal und hielt überrascht inne. Der Aal wand sich um ihr Handgelenk.
» Ich meine, du bist zwar anders als wir«, stotterte Nailer, » aber wenn du Arbeit bräuchtest, würde ich dir helfen.«
Da lächelte sie, und ihr Lächeln war so strahlend wie der blaue Ozean. Nailer spürte, wie sich seine Brust zusammenzog. Verdammt, er war verrückt! Das Mädchen gefiel ihm immer besser. Er wandte sich um, fischte einen Aal aus dem Eimer und schlitzte ihn auf. » Jedenfalls, ich wollte nur sagen, dass du dir wirklich Mühe gibst.« Er hielt den Blick gesenkt und spürte, wie er rot wurde.
» Vielen Dank, Nailer«, sagte Nita leise.
» Klar. Ist doch nichts dabei. Beeilen wir uns, damit wir raus auf die Docks kommen. Ich will die ersten Jobangebote nicht verpassen.«
Nita hatte Nailer und Tool eine Reihe von Namen genannt, die sie sich merken sollten. Für Nailer hatte sie die Buchstaben in den Schlamm geschrieben, damit er sie sich einprägen konnte. Sie beschrieb die Flagge ihres Konzerns, damit sie nach den Schiffen Ausschau halten konnten – zu dritt sollte es ihnen gelingen, einen geeigneten Kandidaten zu entdecken.
Aber es kam alles anders.
Nailer machte gerade einen Botengang zur Ladee Bar. Der Auftrag stammte vom ersten Offizier der Gossamer, einem schnittigen Trimaran mit Windflügelsegeln und einer imponierenden Buckell-Kanone auf dem Vorderdeck. Der versiegelte Umschlag war noch zusätzlich mit einem Daumenstreifen gesichert, und Nailer würde bezahlt, sobald er ihn dem Kapitän aushändigte. Während er über die Planken zum Ufer rannte, ärgerte er sich bereits, dass er mit einer Hand über dem Wasser nach Orleans würde hinüberwaten müssen. Wenn der Brief nass wurde, bekam er bestimmt kein Trinkgeld …
Da tauchte wie aus dem Nichts Richard Lopez auf.
Nailer erstarrte. Die blasse Gestalt seines Vaters glitt durch das Gewühl der Arbeiter, eine Teufelserscheinung mit roten Drachentattoos, die sich seine Arme hinaufschlängelten und sich ihm um den Nacken wanden. Seine fahlen blauen Augen suchten die Hafenanlage ab – ihnen entging nichts. Nailers Verstand sagte ihm, dass er weglaufen musste, und zwar schnell, aber beim Anblick seines Vaters hatte ihn ein solches Entsetzen erfasst, dass er sich nicht mehr bewegen konnte.
Zwei Halbmenschen schritten neben Richard Lopez einher. Breitschultrig schoben sie sich durch die Menge, mehr als einen Kopf größer als alle anderen. Aus stumpfen Hundeaugen blickten sie voller Verachtung auf die Menschen herab. Nailer hatte sich schon so sehr an Tool gewöhnt, dass er vergessen hatte, wie furchterregend Halbmenschen sein konnten. Als er jetzt sah, wie sich diese gewaltigen Kreaturen durch die Menge bewegten, fiel es ihm siedend heiß wieder ein.
Lauf lauf lauf lauf LAUF !
Nailer duckte sich und stürzte zum Rand des Plankenwegs. Ohne einen weiteren Gedanken auf den Brief an den Kapitän in der Ladee Bar zu verschwenden, ließ er sich ins Wasser fallen und tauchte unter das schwimmende Dock. Wenn er den Kopf in den Nacken legte, befand sich sein Gesicht knapp oberhalb der Wasseroberfläche, und er konnte atmen.
Über ihm knarrten die Planken unter den Schritten der Arbeiter. Wasser und Schlick schwappte Nailer über Wangen und Kinn, während er durch eine Lücke zwischen den Brettern spähte. Menschen hasteten vorbei. Nailer biss die Zähne zusammen und hielt nach seinem Vater Ausschau.
Was hatte Richard Lopez hier verloren? Woher wusste er, dass er hier nach Nailer suchen musste?
Die Dreiergruppe erschien in seinem Blickfeld. Sie waren alle gut angezogen. Sogar sein Vater trug neue Kleider, auf denen kein Riss oder Fleck zu sehen war. Das waren keine Strandklamotten. Die waren richtiggehend vornehm! Die Halbmenschen hatten Schulterhalfter mit Pistolen und Peitschen an den Gürteln. Sie blieben über Nailer stehen und beobachteten die Kulis, die sich mit den Schiffsladungen
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