Schilf im Sommerwind
auch.«
»Bei so viel Geld ›unter der Matratze‹ fällt mir automatisch Rückgabe von Diebesgut, Bestechung, Schmiergeld ein. Vielleicht wurde Mark für irgendeine Gefälligkeit bezahlt, unter der Hand, meine ich.«
»Und für welche?«
»Er leitet eine Bauträgerfirma, sagtest du doch, oder? Vielleicht hat es sich irgendein Grundstücksbesitzer etwas kosten lassen, dass dieses Altenheim auf seinem Stück Land errichtet wurde.«
»So was gibt es?«
»Mann, bist du naiv! Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Leute bei einem lukrativen Geschäft dafür sorgen, dass sie nicht leer ausgehen. So ist nun mal der Lauf der Welt. Hast du noch nie einem Empfangschef im Restaurant zwanzig Mäuse in die Hand gedrückt, damit er dir einen besseren Tisch gibt?«
»Hier geht es aber nicht um zwanzig Mäuse, sondern um einige tausend.«
»Ja! Klingt nach einer heißen Spur. Du wirst schon herausfinden, was es mit der Kohle auf sich hat, da bin ich mir sicher. Ach übrigens, noch eine Frage. Du hast mir zwar in groben Zügen die Situation und die Mitwirkenden beschrieben, aber eines würde ich gerne wissen … wer ist sie?«
»Was?«
»Die Tante. Wer ist sie?«
»Was, zum Teufel, hat denn das damit zu tun?«
»Eine Menge.« Joe pfiff. »Da bei dir in diesem Sommer mehrere Forschungsprojekte laufen, dürftest du mit Arbeit ausgelastet sein, rein theoretisch. Dass man dich überhaupt aus deinem Labor lotsen kann, grenzt an ein Wunder, also muss sie etwas Besonderes sein. Sam, der Detektiv – wer hätte das gedacht!«
»Halt die Klappe, Armleuchter!«
»He, ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf! Sonst werde ich dir Caroline auf den Hals hetzen. Jetzt aber im Ernst, Sam – was läuft da?«
»Ich kenne sie schon seit Ewigkeiten. Wir sind alte Freunde. Ich bin ihr einen Gefallen schuldig.«
»O Gott, das darf doch nicht wahr sein!« Joes Stöhnen drang aus der Ferne des Indischen Ozeans an sein Ohr. »Nicht die schon wieder! Die geheimnisvolle Unbekannte.«
»Würdest du jetzt bitte die Klappe halten?«
»Die Frau, der du damals nach Martha’s Vineyard gefolgt bist. Sie ist es, oder? Die Das-geht-dich-einen-feuchten-Kehricht-an-Lady?«
»Die was?«
»Das hast du jedes Mal zu mir gesagt, wenn ich dich nach ihr gefragt habe. Als ich aus Belize zurückkam und du über beide Ohren verknallt warst, kam ständig: ›Das geht dich einen feuchten Kehricht an.‹ Daher wusste ich, dass es dich schwer erwischt hatte. Solche Töne kannte ich nicht von dir. Sie ist es, stimmt’s?«
Sam ließ sich Zeit mit der Antwort. Er starrte auf das Blatt Papier, das vor ihm lag. Er hatte bereits die Auskunft angerufen und die Telefonnummer des Sun Center in Cincinnati notiert. Er wusste allerdings nicht genau, was er dort in Erfahrung bringen wollte. Joe, vor der Küste von Madagaskar, pfiff ins Telefon, und Sam war der Lösung des Problems, wie er weiter vorgehen sollte, keinen Schritt näher gekommen.
»Bist du noch da?«, fragte Joe.
»Ja.«
»Okay. Du wolltest wissen, wie ich den bürokratischen Filz umgehe.«
»Richtig.«
»Ich tue das, was ich am besten kann. Frage freundlich an, unterschreibe auf der gepunkteten Linie und bereite alles zum Tauchen vor. Das ist doch dein Plan, oder?«
»Wovon redest du?«
»Von dem Boot –
Sundance
hieß sie, oder? Wenn das Mädchen glaubt, die Eltern hätten das Boot selbst versenkt, finde für sie heraus, ob es so war. Tauch an der Stelle.«
Sam schloss die Augen, sein Boot schaukelte auf dem Wasser. Die Sonne brannte auf seine nackten Schultern. Ihm war heiß, und er fühlte sich wie ausgedörrt; er wäre gerne mit einem Kopfsprung in die Bucht getaucht, um alles abzuwaschen. Er wusste, dass Joe sich an seine Wache erinnerte – wie er darauf gewartet hatte, dass die Taucher den Lastwagen seines Vaters bargen.
»Worauf soll ich achten?«
»Du weißt es, Sam. Offene Seeventile, ein Leck im Bootsrumpf. Wann willst du runter?«
»Nächste Woche. Sobald die Sommersaison vorüber ist und ich das Forschungsschiff benutzen kann. Es hat ein Echolot an Bord, und ohne das geht es nicht – es sei denn, Caroline und du plant, früher zurückzukommen. Ich könnte die
Meteor
wahrhaftig gut gebrauchen.«
»Wenn ich nicht so gierig wäre, würde ich den Gedanken vielleicht in Erwägung ziehen. Aber hier geht es um eine Riesensache, Sam. Der größte Schatz, hinter dem ich jemals her war. Ein Kajik – du weißt schon, ein türkisches Boot – mit einer Unmenge Diamanten,
Weitere Kostenlose Bücher