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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Jungen, der er gewesen war, zu einem leidenschaftlichen Verlangen nach dem Mann anschwoll, der er geworden war und der ihretwegen dieses Konzert besuchte.
    Als es zu Ende war, kamen sie an dem Springbrunnen vorüber, immer noch Hand in Hand. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gingen, und es war ihr egal. Sie bogen in östliche Richtung ab und unterhielten sich angeregt über die Musik.
    Sie erzählte ihm, dass ihre Liebe zu Mozart während des Studiums an der Kunstakademie begonnen hatte, als ein Professor, den sie sehr bewunderte, gesagt hatte, dass er bei seiner Arbeit ständig Mozart höre, dass er die Musik in seinem Atelier brauche.
    »Und, machst du das auch?«, fragte Sam.
    »Ja. Nicht im Schuppen in Hubbard’s Point, aber zu Hause.«
    »In Frankreich?«
    »Ja, in der Normandie.«
    Sie erzählte ihm auf seine Bitte hin von dem Atelier, das sie sich dort eingerichtet hatte: von dem alten Haus mit der Scheune im Hinterhof, dem riesigen gewölbten Fenster, das nach Norden hinausging.
    »Muss heller sein als der Schuppen.«
    »Das kann man wohl sagen.« Sie beschrieb ihm die Aussicht über die Wiesen und den Ärmelkanal.
    »Vermisst du dein Zuhause?«
    »Ich habe es den ganzen Sommer vermisst, in gewisser Hinsicht …«
    »Und jetzt?«
    Zum ersten Mal seit Stunden entzog sie ihm ihre Hand. Sie waren am Central Park South entlangspaziert und bogen nun nach rechts in die Fifth Avenue ein. Noch um zehn Uhr abends herrschte in der Stadt reges Treiben. Touristen drängten sich in den Straßen, blickten staunend zu den
Beaux-Arts
-Gebäuden empor, flanierten an Tiffany’s und dem Nobelkaufhaus Bergdorf Goodman vorbei.
    »Und jetzt … ich weiß nicht«, sagte Dana leise.
    Als genüge ihm die Antwort, nickte Sam stumm. Sie gingen noch ein paar Schritte weiter, dann winkte er ein Taxi herbei. Nachdem er ihr den Schlag aufgehalten hatte, stieg er ein und nannte dem Fahrer eine Adresse in der Bleecker Street.
    Es war ein Jazzclub. »Wir hatten Mozart für dich, und nun möchte ich dir die Musik schenken, die ich liebe«, sagte er.
    Dana lächelte bei dem Gedanken, jemandem Musik zu ›schenken‹. Sie gingen eine lange Treppe in ein Kellergewölbe hinunter. Es war dunkel bis auf die niedrigen Stumpenkerzen, die auf jedem Tisch in blauen Glasbehältnissen brannten, und die anheimelnde Atmosphäre erinnerte an eine Höhle. Dana und Sam saßen Seite an Seite auf einer gemauerten Bank im hinteren Teil des Lokals und lauschten den Musikern – einem Trio, bestehend aus Klavier, Bass und Trompete.
    Wenn man Mozarts Klänge mit der Leichtigkeit des Sommers verglich, war diese Musik erdenschwer wie der Winter. Mit seinem Feuer und seiner geballten erotischen Kraft brachte der Jazz Danas Innerstes zum Schmelzen. Sie vergaß den Himmel im August, vergaß das Meer, ließ sich vom Zauber der Musik gefangen nehmen. Sam hielt wieder ihre Hand, und sie hatte nichts dagegen einzuwenden. In Gedanken begann sie die Szene zu malen: eine Muschel, tief im samtigen Schlick verborgen, das Meer über ihr. Als die letzten Töne verklangen, sah Sam sie prüfend an.
    »Gefällt es dir?«
    »Ich bin begeistert.«
    »Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich Jazzmusik
live
hörte. Mein Bruder hatte mir seit Jahren davon vorgeschwärmt und versprochen, mich in einen kleinen Club in New Orleans mitzunehmen …«
    »Dein Bruder hat in New Orleans gelebt?«
    Sam lachte. »Joe hat schon überall gelebt. Er war wie du – wollte etwas von der Welt sehen; wahrscheinlich hatte er Angst, ihm könnte etwas entgehen und dass er sich langweilen würde, wenn er zu lange an einem Ort blieb. New Orleans liebte er besonders. Er freundete sich mit einem alten Piraten in einem Jazzclub an der Bourbon Street an, kaufte ihm eine vermutlich wertlose Schatzkarte ab und wurde am Ende doch noch reich, als er zweihundert Meter vor der Küste von Key West Gold fand.«
    »Und, hat er mit dir einen Jazzclub besucht?«
    Sam schüttelte den Kopf. »Das habe ich alleine gemacht.«
    »In New Orleans?«
    »Nein, in Martha’s Vineyard.«
    Dana schwieg und sah die blaue Kerze an, die auf ihrem Tisch stand.
    »In der Circuit Avenue, Oak Bluffs. Das war mein erster Abend auf der Insel. Ich kannte mich dort nicht aus und landete in einer Bar, Star Thrower hieß sie. Dort spielten drei Typen, wie heute Abend. Es war fantastisch, die beste Musik, die ich je gehört hatte.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Zehn Jahre.«
    Dana stellte sich das Cottage in Gay Head vor, das Zelt, das sie

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