Schilf im Sommerwind
erinnerte Dana an die gediegenen Gebäude, die man am linken Seine-Ufer in Paris oder im Londoner Stadtteil Bloomsbury fand. Gelb gestrichen, mit einer Steintreppe und einer glänzenden schwarzen Eingangstür, hieß das Lancaster sie mit dem hellen Schein seiner Messinglampen willkommen.
Dana bat an der Rezeption um ihren Schlüssel. Sam stellte keine Fragen und schien nicht im Mindesten nervös zu sein. Sie gingen zu dem kleinen Aufzug, und als sie im vierten Stock ankamen, nahm er ihr den Schlüssel aus der Hand und sperrte die Tür auf.
Als sie über die Schwelle traten, schloss er sie in seine Arme. Sie standen lange eng umschlungen da, und Dana spürte die Hitze seiner Haut durch das Hemd. Sie küssten sich. Er vermochte seine Leidenschaft kaum noch zu zügeln, aber sie stand ihm mit ihrem Begehren in nichts nach. Sie hörte ein Stöhnen aus ihrem Mund.
Sie entkleideten sich gegenseitig. Sie knöpfte sein Hemd auf, öffnete den Reißverschluss seiner Hose. Ihr Herz raste, und ihre Haut brannte, als er ihr die schwarze Kostümjacke auszog, den Reißverschluss am Rock aufmachte und seine Hände dabei über ihre Hüften, ihren Bauch gleiten ließ.
Jonathan. Für den Bruchteil einer Sekunde schlich sich der Gedanke an ihn wieder ein. Zwei Jahre waren sie zusammen gewesen, hatten gemeinsam gemalt und unbeschwert gelebt, hatten Europa bereist, Segeltörns in der Ägäis unternommen. Sie hatte sich vorstellen können, ihn zu heiraten, ein Kind mit ihm zu bekommen.
Sam berührte die Silberkordel an ihrem Hals. Seine Finger folgten ihr bis zu dem goldenen Schlüssel, der daran hing. Er küsste ihren Hals, die Schlüsselbeine, und als er zum Schlüssel kam, hob er ihn an die Lippen.
»Ich will dich, Dana.« Er zog sie an sich.
Ihre Beine drohten nachzugeben, und sie küsste ihn mit einer Leidenschaft, die ihr sagte, dass sie die gleiche Sehnsucht nach ihm hatte.
Eng umschlungen gingen sie zum Bett und legten sich darauf. Dana küsste Sam, erkundete ihn von Kopf bis Fuß mit ihren Lippen. Sie ließ ihre Zunge über seinen muskulösen Körper gleiten, schmeckte das Salz auf seiner Haut, das sie an alle Meere erinnerte, die sie je gemalt hatte.
Er ergriff ihre Hände und rollte sie auf den Rücken, schwang sich langsam auf sie, während er ihr in die Augen sah. Sein Blick war voller Feuer, und sie spürte, wie ein Damm in ihrem Innern zerbarst.
Die aufgestauten Gefühle des letzten Jahres brachen sich Bahn. Sie umklammerte seine Schultern wie eine Ertrinkende, spürte seine Muskeln und die straffe Haut, umfing ihn, um ihn noch näher an sich zu ziehen. Der Blick seiner goldgrünen Augen war leidenschaftlich und unerschütterlich, verströmte eine Wärme, die in ihre Seele drang.
Sie spürte ihn tief in sich und wollte die Augen schließen, um dieses Gefühl zu bewahren, den Moment für immer in ihrem Gedächtnis festzuhalten. Aber sie hatte Angst, ihn aus den Augen zu verlieren.
»Dana, wir gehören zusammen.« Er bewegte sich in ihr im Rhythmus des Ozeans.
»Zusammen.« Das Wort erhielt mit einem Mal eine völlig neue Bedeutung.
»Lass uns vergessen, was war. Unsere Geschichte fängt jetzt an.«
»Vergessen …«
»Alles«, flüsterte er.
»Das kann ich nicht …«
»Jeden, der dich irgendwann verletzt hat. Jeden Verlust, Dana. Vergiss es. Ich werde dich nie verlassen, werde dich nie enttäuschen.«
»Sam.« Sie hatte das Gefühl, von Wellen umspielt zu sein. Sie ließ sich im Ozean treiben, in der sanften Dünung, umhüllt von Liebe, von Sam. Sie glitt durch die Wogen wie eine Meerjungfrau. Nun schloss sie die Augen und ließ sich von den Empfindungen tragen.
»Was ist das zwischen uns beiden?«, flüsterte sie.
»Liebe, Dana.«
Dana hatte im Beisein von Männern nie das Wort ›Liebe‹ benutzt. Liebe war Schwestern, Nichten, Müttern und der Malerei vorbehalten. Sie hatte Beziehungen gehabt mit Männern, die sie mochte, die ihr vielleicht sogar mehr bedeuteten, aber das Wort auszusprechen war ihr nie gelungen.
Doch nun hörte sie sich sagen: »Ich liebe dich, Sam.«
»Ich liebe dich, Dana.«
»Ich fasse es nicht.« Sie sah ihm in die Augen, berührte den Schlüssel um ihren Hals. »Es gibt eine Person, die glücklich wäre, wenn sie es wüsste …«
»Lily.«
»Ja.« Sie hielt seine Hände, tief berührt. Sam kannte ihre Geschichte. Er hatte sie miterlebt, in diesem schrecklichen und zugleich wunderbaren Sommer, und verstand, dass sie mit Lily begann und endete.
»Sie hat dich geliebt,
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