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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Dana zog ihn an der Hand, wollte ihn zum Weitergehen bewegen und von allem fern halten, was mit Jonathan in Verbindung stand. »Warum ist das so wichtig? Ich sagte dir ja gestern – ich habe oft Modell gesessen. Das ist reine Routine. Als Malerin springt man ein, und wenn irgendjemand ein Modell braucht –«
    »Das Bild ist wunderschön. Derjenige, der dich gemalt hat, war kein ›irgendjemand‹. Er kannte dich gut.«
    »Wie kommst du auf die Idee, dass es ein Mann war?«
    »Willst du behaupten, ich sei keiner?«
    Beim Klang von Jonathans Stimme fuhr Dana herum und schnappte nach Luft. Es klang wie ein Aufschrei, und Sam ergriff schützend ihre Hand. Vickie, mit unsicherer Miene, kam aus ihrem Büro, Jonathan untergehakt. »Na, was sagst du? Es stimmt, dass ich einen Scheck für dich habe, aber außerdem habe ich dir Jonathan gebracht, als kleine Überraschung.«
    »Was? Nein!« Danas Instinkt war mit einem Schlag hellwach.
    »Die Überraschung ist offenbar gelungen!« Jonathan trat näher, um sie zu küssen.
    Dana spürte eher, als dass sie sah, wie Sam zur Seite wich. Jonathan schloss sie in seine Arme, und sie musste ihn mit aller Kraft wegstoßen, um sich zu befreien. Sie sah ihn an. Er war so attraktiv wie eh und je, auch wenn er sehr hager und abgespannt wirkte. Seine schwarzen Haare trug er inzwischen sehr kurz, und er war braun gebrannt. Seine Haut unter dem weichen Baumwollhemd kam hervorragend zur Geltung.
    »Hallo«, sagte er zu Sam. »Ich bin Jonathan Hull.«
    »Sam Trevor.« Sam schüttelte Jon und Vickie die Hand.
    »Ich habe sie gut getroffen, nicht wahr?«, sagte Jon mit Blick auf das Aktbild. »Ihre Augen, ihre Empfindungen. Diese ungebändigten Haare …«
    »Absolut«, pflichtete Vickie ihm bei, offensichtlich nervös. »Du hast eine ganz bestimmte Lebensphase wiedergegeben – die Monate nach Lilys Tod. Man sieht es in ihrem Gesicht. Ich erinnere mich an die Gespräche, die ich in der Zeit mit ihr geführt habe und –«
    »Ich stehe direkt neben dir«, warf Dana gefährlich leise ein.
    »Oh natürlich, Darling. Natürlich. Das war eine trostlose Zeit. Du hast dich im Bett verkrochen, nur noch an Lily gedacht. Du konntest nicht einmal malen …«
    »Richtig«, erwiderte sie leise.
    »Deshalb musste ich für uns beide malen.« Jons Stimme klang ungewohnt einfühlsam. Er stand zwischen ihr und Sam, blickte ihr in die Augen.
    »Lass uns vergessen, was war.« Jon umfasste ihre Oberarme.
    »Vergessen?«, fragte sie verständnislos, als rede er in einer ihr völlig fremden Sprache.
    »Ich habe einen Fehler gemacht, Dana. Du warst wie ausgewechselt, alles hatte sich verändert, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.«
    »Das ist wahr.« Sie sah ihn wieder vor sich auf der Chaiselongue mit Monique.
    »Sie hat mir nichts bedeutet. Das weißt du.«
    »Ach Liebes«, sagte Vickie und begriff endlich, worauf die Unterhaltung hinauslief. Lächelnd wandte sie sich an Sam. »Wir sollten verschwinden.«
    »Dana?«, sagte Sam.
    »Ich komme mit dir.« Dana versuchte, sich von Jonathan loszureißen. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen; sie hasste Konfrontationen, vor allem mit jemandem, den sie einmal geliebt hatte.
    »Bitte verzeih mir«, sagte Jonathan beherrscht. »Ich habe einen Fehler gemacht – du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich ihn bedauere.«
    Dana holte tief Luft und sah ihm in die Augen. Trotz seiner Entschuldigung erkannte sie darin die verhaltene Wut und die Verärgerung, weil sie ihm trotzte. Obwohl Sam sich zurückhielt, war er direkt hinter ihr; sie spürte ihn und seine Bereitschaft einzuschreiten, falls sie ihn brauchte.
    »Lass es gut sein.«
    »Du warst nicht besonders in Form«, sagte er abermals. »Ich musste ins Atelier, für uns beide malen – der Rest tut mir Leid. Eines führte irgendwie zum anderen …«
    »Du hättest nicht für uns beide malen müssen. Du hättest überhaupt nichts tun müssen. Du hättest mich einfach nur in Ruhe lassen sollen.«
    »Dich in Ruhe –«
    »Mich in Ruhe lassen sollen, um bei Lily zu sein.«
    »Bei ihr zu sein? Sie ist tot!«
    »Sie ist meine Schwester!«, entgegnete Dana scharf. »Sie wird in Gedanken immer bei mir sein.«
    »Das würde Joe gefallen«, sagte Sam zu ihrer Unterstützung.
    »Sie ist tot.« Jon ignorierte Sam. »Und ich habe versucht, dich in die Realität zurückzuholen. Du warst völlig fertig, Dana. Sag, was du willst, aber sie war nicht mehr da, und ich hatte Angst, dich ebenfalls zu verlieren.

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