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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Deshalb –«
    »Sie war bei mir«, unterbrach Dana ihn mit funkelnden Augen.
    »Na gut, wenn du meinst.« Er lachte gezwungen. »Das gehört jedenfalls der Vergangenheit an. Lass uns in Ruhe darüber reden, Dana. Vickie war so nett, uns wieder zusammenzubringen – geh mit mir mittagessen. Ich werde dir den ganzen Tag zuhören. Aber beruhige dich.«
    »Ich bin ruhig, Jon.«
    »Bitte komm nach Hause. Honfleur ist ohne dich nicht mehr das, was es war.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Mein Boot liegt am Strand, und das Wetter schlägt um. Ich muss los.«
    »Ein Wetterwechsel, fantastisch! Ein Sturm. Wir lieben Stürme, Dana. Je höher die Wellen, desto besser. Ich komme mit, und du bringst mich aufs Dach raus – ich steuere den Wein bei. Wir sehen zu, wie die Flut ringsum steigt und der Wind bläst. Wir beenden unseren dummen Streit und machen unsere Beziehung wieder flott.«
    »Sie haben doch gehört, dass sie gesagt hat, sie muss ihr Boot vom Strand wegschaffen«, sagte Sam.
    Jonathan sah ihn an, verärgert, anmaßend, sarkastisch. Er hatte diesen vernichtenden, gereizten Blick perfektioniert, den Dana sehr gut aus den großen Städten in Europa und auch aus New York kannte. Sam mit seiner Brille und dem zerknitterten Hemd sah aus wie ein Student, der die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte, um fürs Examen zu büffeln.
    »Dann werde ich ihr dabei helfen.«
    »Jon.« Dana stellte sich schnell zwischen die beiden. Sie packte sein Handgelenk und sah ihm ins Gesicht. Sie hatte einmal geglaubt, ihn zu lieben. Er war jung, intelligent, begabt. Sie hatten eine herrliche, wilde, kreative Zeit miteinander verbracht. Sie wollte ihn weder verletzen noch es ihm heimzahlen, aber sie wusste auch, dass sie ihn um keinen Preis der Welt wiederhaben wollte.
    »Was ist?« Zum ersten Mal war in seiner Miene eine leise Besorgnis zu erkennen. »Ich möchte dir helfen. Dabei kann ich gleich dein Elternhaus kennen lernen, Dana. Die Dinge, die dich geprägt haben, die du liebst. Ich dachte, es sei ohnehin an der Zeit, deine Nichten nach Hause zu bringen.«
    »Ich bin zu Hause«, entgegnete sie so bestimmt, dass sie selber erschrak.
    »Was?«, sagte Vickie.
    Sam schwieg, aber Dana spürte ihn an ihrer Seite, als wären sie durch einen unsichtbaren Draht miteinander verbunden.
    »Du bist zu Hause?«, wiederholte Jonathan entgeistert.
    »Ja.«
    »Hier? In Connecticut?«
    »Es ist für die Mädchen das Beste.«
    »Und was ist mit dir? Du bist Malerin, Dana. Schau dich doch um in der Galerie – glaubst du, du könntest ein so hohes künstlerisches Niveau erreichen, wenn du zwei Gören am Hals hast? Gib mir eine Chance –«
    Dana wartete nicht, bis er den Satz beendet hatte. Sie konnte Jonathan keinen Vorwurf machen, denn ihm fehlte etwas Entscheidendes.
    »Lebe wohl, Jonathan.«
    »Wir reden später noch einmal darüber«, sagte er. »Wenn du alleine bist, unbeeinflusst von diesem –«
    »Sein Name ist Sam, und ich lasse mich von niemandem beeinflussen. Es ist meine ureigene Entscheidung – also: Lebe wohl, Jonathan, auf Nimmerwiedersehen.« Dana drehte sich um und ließ ihn mit offenem Mund stehen.
    »Auf Wiedersehen, Vickie.« Sie küsste ihre Freundin drei Mal auf die Wange, als Vickie ihr den Scheck überreichte.
    Dann ergriff Sam ihre Hand, lief mit ihr zur Haltebucht am Straßenrand und zog sie in ein Taxi, als die ersten Regentropfen fielen. Dana wandte sich ihm zu und glaubte, ein Strahlen in seinem Gesicht entdeckt zu haben, doch bevor sie dazu kam, richtig hinzuschauen, schloss er sie in seine Arme und küsste sie, während das Taxi mit einem Ruck anfuhr und sich in den Verkehr einfädelte.
     
    Quinn saß auf ihrem Felsen und starrte in die Ferne. Das Wetter war herrlich. Keine Wolke am Himmel, keine Spur mehr von der roten Linie, die sie morgens am Horizont gesehen hatten. Sie konnte den Hunting Ground sehen, der spiegelglatt war. Boote preschten vorbei, Segel- und Motorboote, auf ihrem Weg nach irgendwo.
    Neben ihr auf dem großen Felsen lag die Segeltasche der
Mermaid
, ihr Tagebuch, ein Seesack mit Proviant, die Angelkiste und das Geschenk, das sie immer mitbrachte. Sie wollte diesen Brauch beibehalten, aber nach dem heutigen Tag würde sie ihre Gaben nicht mehr in den Gewässern am Little Beach lassen.
    Sie würde von hier weggehen. Sie konnte es nicht mehr ertragen zu bleiben. Endlich verstand sie, warum Tante Dana es vorzog, mit ihnen in Frankreich zu leben.
    Hubbard’s Point war voller Erinnerungen an ihre Mutter

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