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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Wellhornschnecke, genauer gesagt. Lily hatte es in der achten Klasse aus Ton gebastelt; sie hatte die Windungen eingezeichnet und die Öffnung des Gehäuses geformt. Sie hatte ihr Kunstwerk im Ofen der Junior-Highschool gebrannt, bemalt und blassrosa glasiert. Ihr Vater hatte die Kabel eingezogen und eine Lampe daraus gemacht. Jahrelang hatte sie unten auf einem dekorativen alten Waschtrog aus Eichenholz gestanden, aber Quinn hatte sie sich vermutlich für ihr Zimmer angeeignet.
    Und nun war sie zerbrochen.
    Warum hatte sie die Scherben versteckt?, überlegte Dana. Hatte sie befürchtet, sich Ärger einzuhandeln? Wieder dachte Dana, wie schlecht sie auf die Aufgabe einer Vollzeit-Tante vorbereitet war, die sich genötigt sah, ihre Erfahrungen in der Praxis zu erwerben. Sie hatte keinen blassen Schimmer von Kinderpsychologie oder modernen Erziehungsmethoden. Was sagte man einem Mädchen, das ein Meisterwerk der Mutter aus der achten Klasse zerstört und die Scherben im Schrank versteckt hatte?
    Eine weitere Situation, die mir über den Kopf wächst, dachte Dana.
    Allies Schwimmunterricht hatte ihre Geduld bereits auf eine harte Probe gestellt. Nicht ihre Nichte, die zu beobachten eine Freude war und die keinerlei Berührungsängste hatte, wenn es galt, ihr Gesicht ins Wasser zu tauchen. Aber sie selbst hatte, bisher geschlagene drei Tage lang, mit den Müttern der anderen Kinder herumstehen und Konversation über Blumenkästen an den Fenstern, die Vorteile des gemischten Doppels auf dem Tennisplatz und den Frauenclub treiben müssen.
    Sie hatte die Frauen gemustert und vergebens gehofft, ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Und so hatte sie sich zu den Fremden gesellt und sich nach der Idylle und Abgeschiedenheit in Frankreich gesehnt, hatte an die melodische Sprache und reiche Kunstgeschichte des Landes gedacht, hatte schmerzlich die Abwesenheit ihrer Freundinnen Isabel und Colette gespürt. Und sie hatte Jonathan vermisst, gegen ihren Willen.
    Nach dem Schwimmunterricht waren sie um das Dock herum zum Tennisunterricht gegangen. Wieder herumstehen, ebenfalls mit einigen Müttern. Daran war sie nicht gewöhnt. Alle waren freundlich zu ihr; obwohl niemand Lily erwähnte, spürte sie Mitgefühl und Neugierde. Dana war unmerklich auf Distanz gegangen, damit sie mit keiner der Frauen reden musste.
    Sie war an die Einsamkeit ihres Ateliers gewöhnt, zu dem nur Monique Zugang hatte, die Modell saß, und Jonathan, der an seiner Staffelei malte; der Gedanke, dass sie nicht wusste, was sie als Nächstes sagen sollte, machte sie nervös. Ihre Freundin Isabel ließ sie in Ruhe, bis sie von sich aus anrief, nach getaner Arbeit. Manchmal kam Colette auf einen Sprung vorbei, aber sie wartete im Garten, bis Dana aus dem Atelier herauskam.
    Trotzdem lächelte Dana stolz, als sie daran dachte, wie sie Allie beobachtet hatte, die kraftvoll den Tennisschläger schwang und sich vor lauter Konzentration auf die rosige Zunge biss. Allie war ein Wirbelwind, brachte sich in alles, was sie tat, voll ein, genau wie ihre große Schwester. Sie hatten beide das Zeug, beim Segeln in der Weltklasseliga mitzumischen.
    Auf dem Fußboden unter dem Bett lag ein Tennisschläger. Dana lehnte ihn gegen die Wand, angenehm überrascht. Sie hatte nicht gedacht, dass sich Quinn derzeit für irgendeine Sportart interessierte. Sie hatte das Segeln aufgegeben, wofür sie eine natürliche Begabung mitbrachte. Vielleicht sollten sie ein Kanadisches Doppel spielen, Dana auf der einen Seite des Netzes und ihre Nichten auf der anderen, genau wie ihre Mutter es früher mit Dana und Lily gemacht hatte.
    Mit dem vollen Wäschekorb blieb Dana in der Diele im ersten Stock stehen. Klein und rechteckig, gingen alle vier Schlafzimmer von ihr ab. Ein altes Chorpult mit dem großen Webster-Wörterbuch der Familie stand an einer Wand, der Wäscheschrank war in die angrenzende Wand eingebaut. Genau gegenüber hingen vier Bilder, die Lily gemalt hatte.
    Als Dana sich vorbeugte, um sie genauer in Augenschein zu nehmen, sah sie, dass es sich um einen Jahreszeiten-Zyklus handelte. Aquarelle von Hubbard’s Point im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Bilder waren klein wie Miniaturen und sahen unfertig aus, glichen eher Studien als einem vollendeten Werk. Nicht größer als zehn mal fünfzehn Zentimeter, waren sie in einem Rahmen aus Treibholz gefasst.
    Weit und breit kein Haus in Sicht. Dana konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ihre Schwester hatte Hubbard’s Point

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