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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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zwei Gläser Weinschorle getrunken und war völlig nüchtern. Sie dachte an Luca und daran, dass sie beide eigentlich kaum spontan verrückte Sachen unternahmen. Draußen schien der Vollmond. So gese­ hen boten sich viele Gelegenheiten, in hellen Nächten mal über die Stränge zu schlagen. Aber seitdem sie in Tübingen studierte, hatte das Neonlicht der Stadt seine Anziehungskraft auf sie verloren – und nächtliche Tou­ ren zu irgendwelchen Seen, dazu waren ihre Kommi­ litonen viel zu vernünftig.
      »Möchtest du auch eine?« Ralf hielt ihr die Zigarette hin. »Echte Handarbeit.«
      Das war Julia nicht entgangen. Sie vergewisserte sich, dass es kein Joint war. »Nee, die ganze ist mir zu viel, aber ich kann ja mal bei dir ziehen.«
      »Okay«, murmelte Ralf und holte sein Feuerzeug aus der Lederjacke.
      Vorne saß Hartmut, der schon mindestens drei Fläsch­ chen Bier intus hatte und dementsprechend aufgedreht war. Er stellte die Musik noch etwas lauter. Im Radio lief ein melodiös­punkiges Stück von Skunk Anansie. Caro­ line kicherte albern, und die Art, wie sie das Steuer lässig mit einer Hand von unten hielt, um mit der anderen den Oberschenkel von Hartmut zu streicheln, löste bei Julia Ängste aus. »Fahr bitte vorsichtig, Caro!«, rief sie.
      Hartmut versuchte, ihre Reaktion ins Lächerliche zu ziehen. »Manitu wird uns sanft in die ewigen Jagd­ gründe geleiten.«
      Und Ralf feixte: »Keine Sorge, nur die Guten ster­ ben jung.«
      Wenig später kamen sie am Breitenauer See an. Ein Lagerfeuer brannte noch, es war schon nach 1 Uhr und jemand spielte Gitarre. Eine Gruppe junger Leute, alle um die 20, wärmte sich am Feuer. Bierflaschen kreisten, und Julia fand, dass die Gäste dieser Zusammenkunft schon ziemlich fertig aussahen. Weil sie kein Schwimm­ zeug dabei hatten und von Hartmuts Ferienhaus nicht mehr die Rede war, nahmen auch sie am Feuer Platz. Julia bemerkte, dass sie ihren warmen Fleecepullover zu Hause liegen gelassen hatte. Ralf bot ihr seine Jacke an. Nachdem sie das Lederteil dankend angezogen hatte, legte er seine Arme um ihre Hüfte. Sie ließ es zu, und so saßen sie eine Weile und wärmten sich auf.
      Irgendwie plätscherte das Zusammensein ohne beson­ dere Höhepunkte aus. Das Feuer brannte noch ein, zwei Stunden. Hartmut übergab sich und musste nach Stein­ heim zurückgebracht werden, wo er im Haus seiner Eltern in der Ludwig­Hofacker­Siedlung im Keller hauste, da es ihm an eigenen Einkünften mangelte. Und Ralf zog es vor, in Höpfigheim auszusteigen, weil er noch in der Kelter nach der Musikanlage schauen wollte, welche die Helfer in einem Raum eingeschlossen hatten. Die beiden jungen Frauen fuhren zu Caroline nach Ludwigsburg. Julia wollte nach der amüsanten Nacht bei ihr übernach­ ten. Sie hatte Luca eine SMS geschickt, damit er wusste, wo sie steckte und sich keine Sorgen machte.

    In Marbach hörte Norbert Rieker aus der Ferne die Glocke der Stadtkirche, sie schlug Mitternacht. Er saß im Schneidersitz auf der Aussichtsplattform des Lite­ raturmuseums der Moderne. Der Vollmond schien, und er fühlte sich einsam. Nachdem Gianna aus der Bar verschwunden war, hatte er sich eine Flasche Jack Daniels und einige Schachteln Zigaretten mitgenom­ men. Er strebte die Besinnungslosigkeit an oder zumin­ dest einen vergleichbaren Zustand. Er war im Begriff, alles zu verspielen, wofür er die letzten 15 Jahre hart gearbeitet hatte. Konnte ihm überhaupt noch jemand helfen? Er blickte auf das Display seines Handys. 20 Anrufe, die meisten von Zorn, der ihn wahrschein­ lich nach den Gründen seines peinlichen Auftritts fra­ gen wollte. »Scheißegal!«, rief Rieker in die Nacht und streckte die Flasche in Richtung Himmel. Er drückte auf einige Knöpfe, dann sah er auf dem Display den Namen eines alten Freundes: Michael. »Meine Fresse, der Micky«, murmelte die nächtliche Gestalt auf der Aussichtsplattform. Drüben lag Benningen, dazwi­ schen der Neckar – und bei ihm blinkte der Name des besten Freundes auf. Zu komisch, er prustete laut los. »Hahaha.« Und er sang: »Ein Freund, ein wah­ rer Freund.« Dann warf er das Handy über die Kante der Aussichtsplattform. »Ätsch, Erster, gewonnen, du Loser.« Und wieder lachte der Verwaltungschef der 15.000­Einwohner­Stadt: »Hihihi. Handy über Bord, alle Maschinen stopp.« Mit dem Zeigefinger wies Rie­ ker den imaginären Besatzungsmitgliedern den Weg zum hilflos treibenden Handy, das auf einer

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