Schillerhoehe
sich da manchmal auch Ärger einhan delt«, konstatierte er und nahm sich ein Papierhand tuch, das er beim Abtrocknen demonstrativ vor ihm zerknüllte.
Luca begriff, dass es eine Kampfansage war. Aber er wollte sich nicht einschüchtern lassen. »Wenn ich keinen Ärger hätte, wäre ich ein schlechter Journa list.«
»Nur sollte der Ärger nicht so groß sein, dass er lebensverkürzend wirkt, nicht wahr? Es stimmt doch: Ärzte und Journalisten haben die geringste Lebens erwartung, oder?«
Luca griff an ihm vorbei, nahm sich ein Papierhand tuch und rieb damit an seiner nassen Jeans herum. »Na und? Schiller hat auch nicht lange gelebt, dafür aber umso intensiver«, lächelte er und rubbelte weiter, ohne Schäufele anzusehen. Der wiederum durchbohrte ihn von der Seite förmlich mit eisigem Blick.
»Wie alt ist Schiller geworden. 46 Jahre? Ich schätze mal, Sie wollen älter werden als er, oder täusche ich mich?«
»Klar«, meinte Santos. »Aber nur, wenn ich dadurch meine Ideale nicht verrate.« Er warf das Handtuch in den Papierkorb. »Schönen Abend noch«, grüßte er und ging hinaus. Er wollte, dass es cool aussah, aber in Wirklichkeit lief es ihm eiskalt über den Rücken. Ihn zog es weg, er machte jedoch noch ein paar Bilder in dem Saal, damit Schäufele nicht dachte, er würde flie hen. Außerdem konnte er die Fotos mit ein paar Zeilen an den Marbacher Kurier verkaufen. Die Blattmacher waren am Montag immer froh, wenn sie für die hin teren Seiten etwas über kleine Feste bekamen, die gut besucht worden waren. Das trägt alles zur LeserBlatt Bindung bei, hörte er im Geiste Gustav Zorn in der Redaktionskonferenz allwissend dozieren.
Ein anderes Fest wurde etwa zehn Kilometer entfernt in Höpfigheim gefeiert. Harter Rock aus den 70ern durch drang das rustikale Gebäude, ein junges Publikum hatte sich eingefunden. Eng standen die Fans vorne an der Bühne, die Universal Banditos coverten ›Highway to hell‹. Die einen rauchten, die anderen hielten ihr Bier in der Hand oder ihre Braut im Arm. Einige röhrten den Refrain mit, andere zogen es vor, mit den Füßen im Takt zu wippen und locker zu grooven. Julia stand mit ihrer Freundin Caroline ganz vorne in der ersten Reihe. Es war ihr schwer gefallen, sich auf den Weg zu machen, aber Luca hatte offenbar mal wieder einen Termin für die Zeitung angenommen. Sie hatte es als Fügung des Schicksals gesehen. Caroline reagierte auf ihren Vorschlag, ein Rockkonzert zu besuchen, begeis tert. ›Oh fein, Groupie war ich das letzte Mal vor zehn Jahren in der Abizeit‹, hatte sie am Telefon gescherzt. Julia fand das überhaupt nicht komisch, denn wenn sie ehrlich war, lief sie ja einem Musiker hinterher. Aber das durfte Caroline ebenso wenig wissen wie sonst jemand aus ihrem Umfeld. Sie hoffte, dass Ralf sie nicht plump ansprechen würde, damit Caroline ahnungslos blieb.
»Superstimmung!«, rief Julia, als die Universal Ban ditos, die erste Pause einlegten. Ihre Freundin nickte, nahm einen kleinen Schluck von ihrer Weißherbst schorle und beugte sich zu ihr herüber:
»Und superknackige Musiker.«
Julia lächelte steif und prostete ihr zu. Sie bemerkte, dass die Bandmitglieder sich in der Pause nicht versteck ten, sondern unters Publikum mischten. Während des Konzerts hatte sie unablässig Ralf beobachtet. Er war ganz in Schwarz, mit Jeans und TShirt, und spielte die Gitarre mit einer Lockerheit, die sie einfach himmlisch fand. Es schien so, als ob er sie zwischendurch erkannt hätte – was bei den Trockeneisschwaden vor der Bühne bestimmt nicht einfach war. Er hatte ihr zugelächelt, da war sie sich sicher, aber wo trieb er sich jetzt herum?
Plötzlich bemerkte Julia, dass jemand hinter ihr stand und ihr in den Nacken pustete. Sie drehte sich um. Es war Ralf.
»Hi, Julia. Schön, dich zu sehen.« Er hatte den Drummer mitgebracht, der Hartmut hieß und etwa zehn Jahre älter sein mochte. Caroline machte dem voll bärtigen Percussionisten mit dem breiten Kreuz sofort Komplimente, er habe den Saal und auch sie ganz schön in Fahrt gebracht. Sie lachten, und Hartmut nutzte die Gelegenheit, Caroline zu einem Gläschen Sekt an die Bar zu entführen.
Julia stand nun Ralf allein gegenüber. Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte. Auch er wirkte verlegen. »Ihr spielt ziemlich gut«, brachte sie heraus und kam sich bescheuert vor.
»Danke«, sagte Ralf. Seine blauen Augen lachten.
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