Schillerhoehe
verbleiben.« Er hatte ein gutes Gewissen. Was die Zukunft bringen würde, lag schließlich in seinem Ermessen. Sie verabredeten sich auf 15 Uhr und luden Steinhorst ebenfalls dazu ein.
Melanie Förster musste sich beeilen, rechtzeitig ins Art Hotel zu kommen. Es ging auf 10 Uhr zu, und es war fraglich, ob Utz Selldorf dort noch logierte. Sie parkte den Wagen ein Stück weiter weg vor einem Kino. Sie hatte sich dort einmal einen Film angesehen. Zwar mochte sie die Holzstühle nicht, die der Kinoverein verwendete, doch bewunderte sie das Engagement der Vereinsmit glieder, die das leer stehende Gebäude in Eigeninitiative wieder umgebaut hatten. Im Marbacher Kurier hatte es eine monatelange Debatte darüber gegeben, ob das wirt schaftliche Risiko nicht zu groß sei. Sogar ein Landtags abgeordneter hatte sich aufgrund eines Wirtschaftsgut achtens eingeschaltet, aber auch seine Zweifel an dem Projekt konnten die Mitglieder des Kinovereins nicht daran hindern, das Lichtspielhaus neu zu eröffnen.
Im ArtHotel traf Melanie Förster einen Mann, der es eilig hatte und an ihr vorbeigehen wollte.
»Herr Selldorf?«, fragte sie ihn. Der Mann schaute sie überrascht an.
»Ja. Was gibts denn?«
»Förster, Mordkommission.« Sie hielt ihm ihren Ausweis vor die Nase. »Ich muss Ihnen einige Fra gen stellen.«
Der Mann setzte den Koffer ab und blickte auf seine Armbanduhr. »Na, dann aber schnell. Ich muss pünkt lich in Frankfurt sein.«
»Wohin wollen Sie denn so schnell, Herr Selldorf?« So leicht ließ sie sich nicht abwimmeln, sie stellte sich ihm breitbeinig in den Weg.
Selldorf schaltete einen Gang zurück. »Ich habe einen wichtigen Geschäftstermin, aber Sie haben recht. Schö nen Frauen sollte man nicht einfach den Rücken keh ren – also bitte, setzen wir uns doch für einen Moment an die Hotelbar, da können wir in Ruhe reden.«
Melanie Förster gefiel der Vorschlag. »Gerne doch.«
Die Kommissarin knüpfte an sein Reiseziel an: »Frank furt – dort gibt es ein privates Literaturarchiv vom Ver lag Fischermann. Weiß man schon, ob es das Rennen um Erika Scharfs Nachlass macht?« Sie war gespannt auf seine Reaktion.
»Alles scheint ziemlich offen zu sein«, sagte er. »Ich denke, Frau Scharf pflegt zu beiden Häusern ein gutes Verhältnis.«
Sehr diplomatisch, dachte Melanie Förster. Sie wollte das Versteckspiel noch ein bisschen weitertreiben. »Für solche schwierigen Entscheidungen soll es ja Berater geben.«
Selldorf lächelte. »Gewiss. Das ist mein Job. Ich berate Schriftsteller, Institute, aber auch private Samm ler und Auktionshäuser in diesen Fragen.«
»Beraten Sie auch Erika Scharf?«
»Ja, doch. Wir haben das ein oder andere Gespräch über ihren Nachlass geführt.«
»Wusste ihr Mann, Dietmar Scharf, von Ihren Gesprächen?«
»Ich nehme es doch an. Ich meine, Eheleute sollten sich über wichtige Dinge unterhalten, oder?«
Melanie Förster spürte, dass dieser Mann mehr wusste, als er ihr verriet. Sie nahm sich vor, hartnäckig weiterzubohren. »Warum sind Sie in Marbach?«
»Beruflich bedingt, wie Sie sich denken können. Das Literaturhaus in Stuttgart ist ein hervorragender Treff punkt, um Kontakte zu pflegen. Außerdem hatte ich im Marbacher Literaturarchiv noch einiges zu bespre chen.«
»Mein Kollege Peter Struve hat Sie mit Sven Dollin ger gesehen. Was haben Sie mit ihm besprochen?«
Utz Selldorf nippte an seinem Mineralwasser, um Zeit zu gewinnen. »Nun, es gibt einige Projekte, an denen ich arbeite und von denen er wissen sollte.«
»Projekte?«
Utz Selldorf schaute auf seine Armbanduhr und zog die Mundwinkel nach unten. »Ja, Projekte. Sie müssen sich das so vorstellen: Als Agent für Nachlässe schaue ich eigentlich ständig auf 10 bis 20 Sanduhren – ist mal wieder eine abgelaufen oder läuft bald eine ab, werde ich aktiv.«
Melanie Förster verstand. Sie trank einen Schluck Mineralwasser und blickte ihrerseits auf die Uhr. »Wis sen Sie eigentlich schon, dass die Sanduhr von Erika Scharf abgelaufen ist?«
Utz Selldorf stutzte und die Kommissarin schaute ihn prüfend an. »Sie scheint an der Überdosis eines Schlafmittels gestorben zu sein.«
»Das ist kaum zu glauben. Hat sie sich das Leben genommen?«
»Wir prüfen das gerade.« Sie schwiegen einige Sekun den. »Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Mar bach Kontakt zu ihr
Weitere Kostenlose Bücher