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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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gehabt?«
      Selldorf schien nachzudenken. Er war sich wohl nicht schlüssig, wie viel er von seinem Wissen preis­ geben sollte. Er versuchte deshalb, so allgemein wie möglich zu bleiben.
      »Na ja, eigentlich wollten wir uns am Freitagabend unterhalten, aber da gings nicht. Die Lesung dauerte länger als geplant. Und ein junger Journalist verwickelte sie in ein Gespräch.« Der Literaturagent holte seinen Terminkalender heraus und klappte ihn auf. Mela­ nie Förster erkannte bei den verschiedenen Notizen rot markierte Uhrzeiten, hinter denen Namen stan­ den. Selldorf zeigte mit der Spitze seines Stiftes auf den Samstag. »Gestern wollten wir uns treffen, aber es ist ihr anscheinend etwas dazwischengekommen, sodass wir nicht mehr miteinander gesprochen haben.« Warum Erika Scharf nicht mehr mit ihm telefoniert hatte, war ihm immer noch schleierhaft.
      Melanie Förster ließ nicht locker. »Ein Geschäfts­ mann wie Sie lässt sich doch nicht so einfach vom Ziel abbringen. Haben Sie gestern nicht versucht, sie zu erreichen?«
      Selldorf lächelte verkniffen. »Sie dürfen mich nicht für aufdringlich halten. Pietät und Einfühlungsvermö­ gen sind in meinem Beruf der Schlüssel zum Erfolg.«
      Mit solchen Floskeln ließ sich die Kommissarin nicht abspeisen. »Was haben Sie gestern Abend gemacht, so ab 20 Uhr?«
      Der Literaturagent trank den Rest seines Wassers aus. »Tja, was soll ein Handelsreisender wie ich schon groß machen, wenn er in einer fremden Stadt ist? Ich bin ins Kino gegangen, gleich nebenan, da laufen ja stän­ dig Literaturverfilmungen. Sven Dollinger hat mir das kleine Programmkino ans Herz gelegt – zwar noch alles voll mit Holzstühlen, aber den Zauberberg von Thomas Mann wollte ich schon lange mal wieder anschauen.«
      In der Tat hatte Selldorf umdisponiert, nachdem er Erika Scharf nicht mehr erreicht und vergeblich vor dem Restaurant am Cottaplatz auf sie gewartet hatte.
      »Wann endete der Film und was haben Sie danach getan?«
      »Das war gegen 23 Uhr, es war noch jemand von der Filmakademie Ludwigsburg da, der über ein mög­liches Remake unter heutigen digitalen Bedingungen gesprochen hat. Ich wollte dann noch etwas trinken und bin runter zur Bahnhofskneipe gegangen. Da war aber nicht mehr viel los. Ein, zwei Drinks, und ich bin zurück ins Hotel.«
      »Wann war das?«
      »So gegen Mitternacht. Fragen Sie den Nachtpor­ tier, er wird sich an mich erinnern. Hab selbst mal auf diese Weise meine Brötchen verdient. Wir haben noch zusammen etwas getrunken und ein bisschen Schach gespielt.«
      »Und wann sind Sie schlafen gegangen?«
      »Das war gegen 2 Uhr.«
      Melanie Förster hatte genug erfahren. Auch für den Freitagabend gab Selldorf an, beim Nachtportier gewe­ sen zu sein. Sie hätten die halbe Nacht Schach gespielt. Stimmte das, kam Selldorf für den Mord an Dietmar Scharf ebenso wenig infrage wie für den zweiten Mord. Natürlich hätte er die Selbstschussanlage vorher selbst montieren können, aber dann hätte er im Besitz eines Schlüssels für den Keller des Literaturarchivs sein müs­ sen. Dafür aber fehlten bis jetzt konkrete Hinweise. Sie ließ sich seine Personalien geben, er überreichte ihr seine Karte mit allen Telefonnummern, für den Fall, dass Sie noch Fragen hatte.
      »Noch etwas«, sagte sie, als er schon den Koffer in der Hand hatte. »Wer bekommt jetzt eigentlich den Nachlass von Erika Scharf?«
      Utz Selldorf lachte. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht – fragen Sie doch Herrn Dollinger, und natür­ lich die Erben.«

    1 1

    Luca Santos wachte an diesem Sonntagmorgen gegen 9 Uhr auf. Er hatte schlecht geschlafen. Julia fehlte ihm, aber es war schon in Ordnung, dass sie mal bei einer Freundin übernachtete. Er würde sie später anrufen, damit er sie nicht weckte. Trotzdem schmeckte ihm das Frühstück an diesem Morgen nicht. Dieser Schäufele kam ihm unheimlich vor. Welches Geheimnis hütete der seltsame Kauz? Es war jedenfalls schwer dahin­ ter zu kommen. Zu dumm, dass er ihm gestern auf der Toilette begegnet war. Luca überlegte, ob er sein Wis­ sen der Polizei weitergeben sollte. Noch hatte er aber nichts Konkretes, er brauchte Beweise. Dazu müsste er mehr über den Mann wissen. Hatte nicht Derwitzer einiges über ihn erzählt? Vielleicht konnte er mit sei­ ner Hilfe noch mehr herauskriegen. Santos griff zum Hörer, eine Stunde später saß er Derwitzer im I­Dip­ fele gegenüber.

    Ohne Umschweife

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