Schillerhoehe
Sorgen um Sie, lieber Rieker – also erst mal möchte ich Ihnen die Hand reichen. Sind wir wieder Freunde?«
»Ja, natürlich«, antwortete der Bürgermeister. »Ich finde es großartig, dass Sie auf mich zugehen. Ich hätte niemals den Mut dazu aufgebracht.«
»Sehen Sie, lieber Rieker, wir verstehen uns. Und uns beiden muss es nun darum gehen, den Schaden für Sie und die Partei so gering wie möglich zu halten.«
»Ja, da sprechen Sie mir aus der Seele, Herr Stein horst. Was können wir tun?«
»Na, da hätte ich schon ein paar Ideen: Was hal ten Sie davon, wenn wir unsere Versöhnung öffent lich machen und mit einer Wohltätigkeitsveranstaltung oder einer Spende garnieren? So machen es doch auch die Fußballer, wenn sie sich bespuckt oder übel getre ten haben.«
»Klasse Idee!«
»Und in der Sache finden wir bestimmt auch einen Kompromiss. Sie mit Ihren ÖkoAnsichten und ich mit meiner Autoindustrie – das kann der Beginn einer klei nen FPUErfolgsgeschichte im Ländle werden, meinen Sie nicht auch?«
»Na ja, lieber Steinhorst, das wird sich weisen. Aber vorerst scheinen mir Ihre Vorschläge einen Weg aus der kritischen Situation zu bieten.«
»Sehen Sie, Rieker, ich schlage vor, wir bleiben in Kontakt.«
»Jawohl. Wir halten uns auf dem Laufenden. Einen schönen Sonntag noch.«
»Ja, Ihnen auch, machen Sies gut.«
Norbert Rieker atmete tief durch. Der Tag ließ sich gut an. Jetzt musste er nur noch Zorn auf seine Seite brin gen. Er wählt die Nummer des Redaktionsleiters.
»Ja, hier Zorn.«
»Grüß Gott, hier ist Rieker, ist bei Ihnen alles im grünen Bereich?«
Der Redaktionsleiter lachte laut, wahrscheinlich stellte er sich die Gemütslage des Bürgermeisters vor und fand dessen Sorge um ihn komisch. »Danke, mir geht es wohl vergleichsweise gut und ich sitze gerade in der Redaktion. Es ist viel los in Marbach an diesem Wochenende.«
»Ach ja? Aber es sind doch noch Ferien.«
Zorn lachte. »Kann schon sein, aber daran halten sich unsere bösen Buben nicht. Ihnen kann ichs ja sagen, wenn Sie es nicht weitererzählen. Im Literaturarchiv ist jemand ermordet worden.«
»Tatsächlich? Wer denn?« Rieker gab sich ahnungs los. Vielleicht würde Zorn ihm noch ein paar Einzel heiten verraten.
»Dietmar Scharf, der Mann der berühmten Dichte rin, die im Schlosskeller gelesen hat. Durchbohrt von einigen Pfeilen aus diversen Armbrüsten. Wilhelm Tell lässt grüßen.«
»Wilhelm Tell?« Rieker fand seine Rückfrage naiv und hätte sich auf die Zunge beißen können.
»Sagen Sie bloß, Sie kennen die Story nicht, Rieker. Das ist Schiller für Anfänger, das sind Basics. Hören Sie mal!«
»Ja, natürlich kenne ich den Tell, aber das Ganze hört sich …«, Rieker kam ins Stottern, »… so unglaublich für unser kleines Städtchen an.«
»Na, da mögen Sie recht haben. Das wird bestimmt der Aufmacher auf der ersten Seite bei uns morgen. Obwohl Ihre kleine Einlage beim Kreisparteitag auch nicht schlecht war.«
»Gut, mein lieber Zorn, das war bestimmt nicht so toll von mir, aber man sollte es vielleicht nicht so auf bauschen – zumal Herr Steinhorst und ich uns inzwischen wieder vertragen und es in unserem Interesse liegt, die Sache bereinigt in die Öffentlichkeit zu geben. Sie sind doch auch FPUMitglied in Ihrem Wohnort draußen im RemsMurrKreis?«
»Na, na, Herr Bürgermeister, immer schön langsam. Sie verlangen da ganz schön viel von mir. Es hat doch jeder gesehen, dass Sie und Steinhorst buchstäblich mit einander gerungen haben. So etwas spricht sich wie ein Lauffeuer herum. Bestimmt weiß das schon ganz Marbach.«
»Alles Schnee von gestern«, argumentierte Rieker, »aber damit Sie Ihre Exklusivgeschichte haben. Stein horst und ich vertragen uns wieder, wir würden das auch ganz gerne nach außen dokumentieren und heute noch zu Ihnen in die Redaktion kommen, dann machen wir ein nettes ShakehandsBild, und alles ist wieder gut. Wir wollen doch auch weiterhin effektiv miteinander zusammenarbeiten, oder?«
Zorn schwieg, er schien zu überlegen. Dann sagte er: »Okay, wir drucken beides, den Streit und die Versöh nung. Dafür erwarte ich von Ihnen einen erheblich bes seren Informationsfluss aus den nicht öffentlichen Sit zungen als bisher. Kann ich mich darauf verlassen?«
Rieker jubelte innerlich. »Natürlich, so können wir
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