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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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kam Santos auf den Punkt. »Du, Siegfried, was weißt du eigentlich über den Schäufele aus dem Literaturarchiv?«
      Der Angesprochene biss genüsslich in sein Schoko­ croissant, das er sich zusätzlich dick mit Butter bestri­ chen hatte.
      »Der Schäufele, der hats dir angetan, was?«, fragte er und lachte. »Ich kann gar nicht verstehen, dass der unscheinbare Bibliothekar dich interessiert. Ehrlich gesagt habe ich noch nie solch einen humorlosen und militant­egozentrischen Typen erlebt. Und das im Lite­raturarchiv, wo sonst wirklich nette Menschen arbei­ ten.«
      Siegfried Derwitzer neigte zu Übertreibungen und gestikulierte stets mit seinen Händen, als ob er Gemälde der wilden Art malen würde. Er erzählte von einigen ärgerlichen Begegnungen mit Schäufele, bei denen er fast nie das bekommen hatte, was er im Archiv gesucht hatte. Derwitzer nahm sein Glas mit dem Orangen­ saft und trank es in einem Zug leer, als ob er den Frust über die unangenehmen Erinnerungen hinunterspü­ len wollte.
      Luca Santos hatte interessiert zugehört und schaute nun fragend. »Was meinst du eigentlich mit militant­ egoistisch?«
      Sein Gegenüber schob den Unterkiefer nach vorne und strich sich mit der Hand am Hals entlang, als ob er überlege, überhaupt auf diese Frage zu antworten. »Na ja, ich hab gehört, wie andere sich von ihm bespitzelt fühlten und sich darüber beklagten, dass er fast schon Psychotricks anwendet, um Kollegen in einem schlech­ ten Licht erscheinen zu lassen.«
      Von wem er das habe, wollte Luca Santos wissen, aber Derwitzer blockte seine Frage ab. Er habe mit seinen Informanten ständig zu tun und die verrate er nicht.
      Santos zeigte Verständnis. Auch er gab die Namen seiner Zuträger nicht preis. »Okay, und was ist mit Schäufele, wo kommt der her?«
      Siegfried Derwitzer zuckte mit den Schultern, und zündete sich eine Zigarette an. »Ich hab gehört, der ist aus dem Osten rübergekommen. So ein bissle hört mans ja auch.« Er grinste.
      Santos wollte wissen, wie lange der Archivar schon im Literaturarchiv arbeite.
      »Also, ich bin ja koi Reigschmeckter«, sagte Der­ witzer, »aber zum ersten Mal aufgefallen ist er mir, als ich anfing, an meinen schwäbischen Geschichten für das ›Literatur­Magazin 68‹ zu arbeiten. Das war 1992.«
      Er kommt aus dem Osten, trägt aber einen schwä­ bischen Namen, dachte Luca Santos und nahm einen Schluck von seinem Cappuccino. Hatte er hier geheira­ tet und den Namen seiner Frau angenommen, um sich besser einzuleben? Blödsinn. Er musste einfach noch mehr über diesen Mann erfahren.
      »Was weißt du noch?«, fragte er Siegfried Derwitzer. Santos hielt sein Gegenüber für ziemlich geschwät­ zig, aber er konnte bestimmt auch verschwiegen sein. Kurz um, der Jungjournalist hatte keine Wahl: Wenn er weiterkommen wollte, musste er seinen Informanten einweihen. Deshalb zog Santos erneut die Fotografie hervor, auf der Schäufele mit Dietmar Scharf am Abend der Lesung zu sehen war. Scharf blickte auf dem Bild unruhig, als ob es ihm peinlich wäre, mit dem Mann gesehen zu werden. Franz Schäufele dagegen wirkte sehr konzentriert und hatte einen energischen Gesichts­ ausdruck.
      »Du Siggi, ich glaub, mit dem Schäufele stimmt tat­ sächlich irgendetwas nicht«, sagte Luca Santos.
      »Ha, das überrascht mich net«, lachte der und blickte seinen Gesprächspartner neugierig an. »Na, dann schieß mal los.«
      Luca erzählte ihm von dem Mord an Dietmar Scharf. Er zeigte die Fotografie und berichtete von seinen Beobachtungen am Schützenheim in Affalterbach.
      Fasziniert hörte Derwitzer zu. »Ha, das ist ja ein rich­ tig heißer Streifen, in dem du da mitmischst, Luca.«
      Auch wenn Santos es sich nicht eingestehen wollte: Es tat gut, das mal von jemand anderem zu hören, nachdem er bisher darüber geschwiegen und auch sei­ nen Redaktionsleiter von den neuen Entwicklungen nicht unterrichtet hatte. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt schon etwas über den Stand seiner eigenen Recherchen schreiben sollte. Derwitzer empfahl ihm, zur Polizei zu gehen, aber Luca wollte sehen, wie weit er im Alleingang kam.

    Julia hatte von Luca geträumt. Er stand auf einer Bühne im Gottlieb­Daimler­Stadion. Er spielte Gitarre und die Fans kreischten. Es waren nur 13­ oder 14­jäh­ rige Mädchen, und sie trugen T­Shirts, auf denen das Gesicht von Ralf und Hartmut abgebildet waren. Und sie selbst stand mitten

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