Schillerhoehe
Ding mit der Spritze passt ebenso wenig zu ihm wie diese ArmbrustGeschichte. Okay, eine Betrunkene bewusstlos zu schlagen und eine Spritze zu setzen, ist nicht so schwierig, da gebe ich Ihnen recht. Aber die Apparatur im Kellergang?«
»Na, dann ziehen wir den Kreis mal weiter«, schlug Littmann vor. Er holte einen Bogen Papier aus seiner Mappe. »Wir haben hier eine Liste mit Mitarbeitern, die einen Schlüssel für dieses Literaturarchiv und den Keller der Handschriftenabteilung haben. Es sind rund
20 Personen, darunter keine Vorbestraften.«
»Wir brauchen die DNA dieser Leute, vielleicht deckt sich das mit den Spuren, die der Täter im Hotelzimmer hinterlassen haben könnte.«
»Längst veranlasst«, spöttelte Littmann überlegen. »Vielleicht ergibt sich bis heute Abend ein Befund.«
Struve nickte. »Wir müssen jede Chance nutzen. Im Bericht der Gerichtsmediziner werden Hautreste unter den Fingernägeln der Scharf erwähnt. Ich wette, wir werden fündig.«
»In unserer Computerdatei sind die DNA der Haut reste aber noch nicht vertreten.«
Struve kratzte sich am Kopf.»Das heißt, unser Mann ist bisher noch nicht in Erscheinung getreten, wir soll ten deshalb auf jeden Fall die DNACodes der Schlüs selinhaber so schnell wie möglich ziehen.«
Littmann nickte. »Ich kümmere mich darum.« Er nahm nachdenklich einen Schluck Kaffee. »Die ganze Sache ist für mich kein Zufall. Das hier ist ein Doppel mord, und ich bin sicher, wir müssen bei unserer Suche tief im Leben der Scharfs buddeln, bevor wir von einem Motiv sprechen können.«
In diesem Moment klingelte das Telefon, Littmann nahm ab.
»Es ist Frau Förster. Sie ist unten im Schießstand und möchte mit uns sprechen.«
»Im Schießstand?« Struve hielt es für einen merk würdigen Zeitpunkt, die Treffsicherheit zu trainie ren, aber er wollte sowieso mit ihr reden. Wunderte er sich doch, dass sie nach ihrem Termin mit Selldorf im ArtHotel nicht sofort Kontakt mit ihm aufgenom men hatte. Er und Littmann nahmen den Aufzug, sie kamen schnell unten an. Struve rümpfte die Nase, im Keller roch es modrig.
Im Schießstand wartete eine ziemlich gut gelaunte Melanie Förster auf die beiden Kollegen. Extravagant wie ein PistolenGirl im Zirkus hielt sie eine Armbrust hoch. »Diese Dinger sind gar nicht so altmodisch wie sie aussehen!«, rief sie und nahm einen Pfeil, den sie geschickt in die Waffe einlegte. Schnell drehte sie sich um, spannte das Gerät und drückte ab. Der Schuss lan dete in der Mitte einer Zielscheibe aus Stroh, die knapp
50 Meter entfernt war und unter der Wucht des Schus ses fast umkippte.
»Gratuliere«, lobte Peter Struve anerkennend. »Sie proben nicht zufällig für die nächste Aufführung des Stuttgarter Polizeitheaters, Frau Kollegin?«
»Nein.« Melanie Förster grinste und zauberte zwei Äpfel hervor. »Möchten Sie auch einen?« Schnell warf sie ihm einen der beiden Elstars zu. Dem verdutzten Struve blieb nichts anderes übrig, als ihn zu fangen.
»Na, Sie werden ihn mir doch nicht auf den Kopf legen wollen.« Herzhaft biss er hinein. Auch sie begann, den Apfel zu essen, während Littmann die Armbrust prüfend betrachtete.
»Wie läuft es bei Ihnen?«, fragte Struve seine Kol legin.
»Dieser Selldorf scheint in der Nachlassfrage dick drinzustecken, aber er lässt wenig raus.«
»Meinen Sie, er könnte etwas mit den Morden zu tun haben?«
Melanie Förster legte ihren halb aufgegessenen Apfel ab. »Er war bis 2 Uhr beim Nachtportier. Schwer vor stellbar, dass er danach noch mal auf Tour gegangen ist. Haben Sie den Obduktionsbericht gelesen?«
»Ja, ja. Machbar war es für ihn, aber es wäre zeitlich knapp. Im Bericht ist der Todeszeitpunkt auf 3 Uhr terminiert. Bis das Mittel wirkt, vergeht eine Stunde.« Struve dachte an die Worte seiner Frau, warum Dol linger nur wegen seiner Sammelleidenschaft morden sollte. Für Selldorf ging es um Geld. Es müsste sich schon um eine große Summe handeln, damit sich ein Doppelmord lohnte. Es sei denn, er hatte im Auftrag eines Dritten gehandelt, dem es vielleicht nicht nur um Dichterpapiere ging. In diesem Fall wäre Selldorf ein gedungener Mörder. Es lag nahe, ihn zu verdächtigen, aber wenn er im Auftrag eines anderen gehandelt hatte, fehlte noch dessen dazugehöriges Motiv.
»Ich glaube, dass wir mit dem Nachlass als Tatmotiv auf einem Holzweg sind«, meinte Struve und
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