Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Insektenphobien“, scherzte Anette bitter.
Es ging weiter nach Norden. Wir entwickelten einen einschläfernden Laufrhythmus, wobei wir wie mechanisch den Urwald zerteilten und niedertrampelten. Ab und zu schrien wir auf, ausgelöst durch eine Schlange oder ein anderes Grauen erregendes Tier, ansonsten hüllten mich die Geräusche des Dschungels ein. Zwischen einer Million Zikaden und den Schreien exotischer Vögel, versuchte ich bewusst meine ängstlichen Gedanken zu verdrängen.
Tief im Inneren war ich sicher, wir würden hier herausfinden. Mein Glaube an das zwanzigste Jahrhundert und seine Zivilisation, die sich meist unerwünscht überall breit macht, war unerschütterlich. Es hätte mich nicht gewundert, wären wir plötzlich auf ein Fünf-Sterne-Hotel gestoßen.
Ich fragte Anette gerade nach dem Befinden des Parasiten auf meinem Rücken, was ich ungefähr alle zwanzig Minuten tat, als Karin abrupt stehen blieb.
„Hört mal“, sagte sie.
Wir lauschten. Haarsträubende Urwaldgeräusche umhüllten uns. Merkwürdige Tierlaute, Knacken im Gebüsch. Und noch etwas anderes.
„Da rauscht etwas“, sagte ich.
„Vielleicht ein Wasserfall“, rief Barbara und machte sich von dem Gedanken an klares, kühles Wasser getrieben auf den Weg durch dichtes Gebüsch. Wir bogen ein paar Äste auseinander, und da war er. Ein schmaler Wasserfall, der mit Getöse von hoch aufragenden Felsen herabdonnerte. Das Wasser mündete in einen kleinen See, und da war auch Roberts Rinnsal, das aus dem See ins Tal hinunterfloss.
Wir hatten noch nie einen schöneren Anblick erlebt. Lachend und stolpernd rannten wir auf den See zu und schöpften mit beiden Händen das kühle Wasser in unsere Gesichter. Ich trank mich satt und schaute mich um. Dieser Platz hatte seinen besonderen Reiz. Um den See war der Urwald nicht ganz so dicht, es war wie eine Lichtung. Ich legte mich ans Ufer und blickte in den blauen Himmel. Also würden wir nicht verdursten. Robert hatte recht behalten. Überall Wasser im Urwald, sagte er, und wir hatten tatsächlich welches gefunden.
Anette war mutig und schwamm im See. Mir war er trotz der Hitze viel zu kalt, und ich ließ nur etwas Wasser über meine Arme und Beine laufen. Das Wasser kam aus dem Hochgebirge, aber Anette genoss das Bad sichtlich. Sie legte sich danach erschöpft neben mich. Barbara und Karin hatten auch keine Lust zum Baden, wuschen sich jedoch ausgiebig und kühlten ihre zahlreichen schmerzenden Stellen. Sie saßen etwas weiter weg am Rand des Sees und unterhielten sich leise. Anette setzte sich auf und schüttelte ihr schwarzes Haar. Sie hatte eine Pagenfrisur und sah daher gleich wieder frisch frisiert aus. Beneidenswert. Meine langen blonden Locken machten immer, was sie wollten. Sie reichten mir bis unter die Schulterblätter, und ich hatte sie hier meistens zu einem dicken Zopf geflochten, der auch ohne Haargummi zusammenblieb. Robert hasste das. „Du siehst aus wie die Magd Zenzi, die gleich die Kühe melken geht“, war sein liebevoller Kommentar.
Robert.
Was würde er dazu sagen, wenn er mich so sehen könnte? In Anwendung seiner Überlebenskunst. Der Gedanke amüsierte mich. Typisch Isabel, oder so etwas. Er musste mich immer necken. „Fahr du nur mit deinen Weibern in den Urlaub“, hatte er gesagt, wobei er Weiber scherzhaft betonte. „Ich kann als selbstständiger Unternehmer nun mal nicht so einfach weg. Aber passt auf euch auf. Ihr kommt doch immer irgendwie in Schwierigkeiten.“
Wie recht er damit hatte. Wir hatten bei unseren vergangenen Unternehmungen einige Abenteuer zu bestehen. Ein abgeschlepptes Auto nachts um halb drei, brennende Tischdecken beim Fondue, oder Barbara, die beinahe an einer Gräte erstickt wäre, so dass wir den Notarzt, einen hübschen Kollegen von ihr, aber leider verheiratet, rufen mussten.
Doch das hier war der Gipfel. Wir vier verloren im Dschungel, einfach unübertrefflich.
„Meinst du, wir kommen hier wieder raus?“
Ich sah hoch und blickte in Anettes Gesicht.
„Hm ...“
Ich sah mich um. Das war eine ganze Welt für sich. Diese Ballung von Leben und Gefahr, dieses Fressen und Gefressen werden. Rücksichtslos versuchte jeder, ans Licht zu kommen. Die Lianen erwürgten den Baum, in Panik an ihm hoch hastend, breiteten sich über seine Krone aus, ohne zu wissen, dass sie damit ihn und somit sich selbst töteten. Ein ständiger Kampf ums Dasein. Und nun waren auch wir in diesen Kampf verstrickt.
„Da bin ich ganz sicher“, sagte ich
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