Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
sie selbst von all der Aufregung nichts mitbekam.
„Wirst du ihr eines Tages alles erzählen?“, fragte ich Anna, und sie nickte lächelnd.
„Das werde ich, meine Liebe, das werde ich.“
Ich versuchte den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken.
„Dann sage ihr, dass ich sie furchtbar lieb habe.“
Meine Stimme versagte, und ich war froh, dass Jack auf einmal hinter mir stand und den Arm um mich legte. Er verabschiedete sich von Klein-Isabel mit einem Kuss auf das winzige Köpfchen.
„Pass auf dich auf, Kleines.“
Ich ließ ihn sich in Ruhe von Anna verabschieden. Sie legte das Baby aufs Bett, verzichtete auf alle Konventionen und umarmte ihn ausgiebig. Ihre Worte waren ergreifend, und ich konnte es kaum ertragen, sie mit anzuhören. Sie gab ihre ganze Dankbarkeit zum Ausdruck, die sie Jack gegenüber verspürte. Ohne ihn hätte sie den Tod Friedrichs nicht verkraftet, das Kontor und ihr Kind verloren. Durch seine stärkende Anwesenheit hatte sie sich weiterhin in ihrem Haus sicher gefühlt. Nun war ihr klar, dass Gott ihn ihr in der Stunde der Not geschickt hatte, und sie dankte Jack dafür, dass er sein ihm auferlegtes Schicksal so geduldig und ohne Beschwerden angenommen hatte. Als ich erkannte, dass Jack ebenfalls mit den Tränen kämpfte, drehte ich mich um und ging auf Karin zu.
Heulend fielen wir uns um den Hals. Es war seltsam, doch wir brauchten keine großen Worte des Abschieds. Ich wusste sie bei Johannes in guten Händen. Sie blinzelte ihre Tränen weg.
„Das Schlimmste ist, dass ich nie erfahren werde, ob ihr gut angekommen seid.“
Sie wischte sich die Augen mit dem Ärmel trocken. Ein ziemlich sinnloses Unterfangen, denn es rollten bereits die nächsten Tränen.
„Das wirst du wissen, sobald der Kristall zerstört ist. Dann haben wir unsere Aufgabe auf der anderen Seite der Zeit erfüllt. Aber wir wissen nicht, wie lange du es hier aushältst“, sagte ich leise, doch Johannes verabschiedete sich von Jack und hörte mich nicht.
„Was ist, wenn du es nach zwei Jahren bereust?“
„Ich habe mich fest entschlossen, Isabel. Und du weißt, wie stur ich sein kann.“
„Aber was, wenn die Leute doch auf einmal Verdacht schöpfen, weil du so anders bist, und ein paar dumme Abergläubische dich als Hexe denunzieren wollen?“
Sie schüttelte entschlossen den Kopf und versicherte, Johannes würde dafür sorgen, dass man sie nicht behelligte, denn seine Familie sei einflussreich, und notfalls würde er mit ihr fliehen. Das beruhigte mich nicht wirklich, doch ich redete mir ein, die Gerüchte würden keinen Nährboden mehr haben, wenn wir offiziell abgereist wären und Karin mit Johannes verheiratet sein würde.
„Aber ich werde versuchen, euch eine auffindbare Spur in die Zukunft zu hinterlegen.“
„Hinterlegen ist ein gutes Stichwort“, sagte Anette, die neben uns getreten war.
„Hinterlege uns etwas bei einem Notar. Ich habe in der Nähe einen gesehen. Dort werden wir nachfragen. Diese Leute gehen sorgfältig mit den ihnen anvertrauten Dingen um und werden dem Empfänger sein Eigentum zustellen, egal nach wie vielen Generationen.“
Eine gute Idee. Karin wollte es versuchen, und sie überlegte, was sich am besten eignete.
„Ich könnte ein Tagebuch führen. Auf welchen Namen soll ich es hinterlegen?“, fragte sie.
Wir sahen uns ratlos an. Wer sollte es abholen?
„Ich werde es einfach auf deinen Namen hinterlegen, Isabel“, sagte sie schließlich.
Ich war einverstanden. Nun wurde es ernst. Alle stellten sich um den Kristall im Kreis auf. Wir trugen unsere eigene Kleidung von damals, bei deren Anblick Johannes beinahe die Augen aus dem Kopf gerollt wären. Fast anzüglich waren seine Blicke, dabei war er sicher nur erstaunt. Genau wie Anna äußerte er sich über den Sittenverfall in der Zukunft bedenklich.
Nur wenige Gegenstände sollten uns begleiten. In meinem Rucksack befanden sich meine persönlichen Sachen sowie ein paar Dinge von Jack, zum Beispiel seine Pfeife. Den Reiseführer hatte ich zurückgelassen. Anna wollte ihn gern behalten und später der kleinen Isabel die Welt ihrer Nachfahren zeigen. Johannes hatte ebenfalls Interesse an dem bunten Buch bekundet. Jack hatte sich die Trommel an den Gürtel seiner Jeans gebunden.
Die anderen trugen selbst genähte Stoffbeutel, in denen Proviant und Wasser in Lederschläuchen verstaut war, die Jack bereits mit dem Hintergedanken, in die Kolonien zu gehen, an die Seite gelegt hatte. Wir hatten immerhin noch eine Tour
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