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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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eines Hospitals bedürfen.“ Sie runzelte die Stirn beim Anblick meines knappen Slips.
    „AWA? Was heißt das bitte?“, fragte Barbara neugierig und lenkte so von meinen freizügigen Dessous ab.
    Die Dame nickte mir zu, und ich zog mich wieder an. Im Reden kniete sie vor Karin nieder und griff nach ihrem mit Stichen übersäten Arm, um ihn genauester Betrachtung zu unterziehen.
    „Es ist das städtische Armen-, Waisen- und Arbeitshaus. Gelegentlich dient es auch als Zuchthaus. Leider seid Ihr in eben diesem Trakt untergebracht worden, da man Euch für ... Huren hält.“
    Sie schlug die Lider nieder, als sei es bereits ein Verbrechen, allein das Wort auszusprechen. Barbara machte ein empörtes Geräusch und schüttelte den Kopf.
    „Glaubt Ihr das etwa auch?“, stieß ich heftig hervor.
    Mir schien es wichtig, dass diese Frau ein anderes Bild von uns bekam. Ihr prüfender Blick machte die Runde und stoppte wieder bei mir.
    „Nein. Ihr seht mir nicht danach aus, obwohl ich Euch in der Tat nicht recht einordnen kann.“
    Ihre Hände näherten sich Karins Gesicht, als diese plötzlich gestikulierend aufsprang und so Annas Versuch, ihren Gesundheitszustand anhand eines hochgehobenen Augenlides zu überprüfen, vereitelte.
    „Was wäre denn auch so schlimm daran? Sind Huren keine Menschen? Darf man sie so behandeln?“
    Anna erhob sich, und in ihrem ebenmäßigen Gesicht, das einer filigranen Meißener Porzellanfigur ähnelte, zuckte ein Muskel. Verdammt, jetzt war Karin zu weit gegangen.
    „Ich weiß, dass man in Frankreich die Hurerei toleriert. Doch hier ist man der Ansicht, dass Hurerei dem Herrn, unserem Gott, ein Gräuel ist, weil sie außerhalb der Ehe stattfindet.“
    Ihre Wangen hatten sich gerötet, das Thema war ihr sichtlich unangenehm. Ich beschwor Karin mit meinen Blicken, doch sie dachte nicht daran zu schweigen.
    „Die Hurerei ist Gott ein Gräuel?“, rief sie und lief aufgeregt im Raum umher. Das Stroh raschelte unter ihren Füßen, und ein miefiger Geruch nach altem Staub verbreitete sich.
    „Wenn es keine Huren gäbe, glaubt Ihr nicht, dass dann keine Frau mehr auf der Straße sicher wäre? Wir sollten dankbar für sie sein, denn sie schützen uns vor lüsternen Männern wie diesen Mistkerlen von Wachleuten da draußen. Und zeigt mir eine Hure, die diesem Beruf gerne und freiwillig nachgeht. Die Gesellschaft zwingt sie dazu.“
    Sie deutete Richtung Tür, und Anna holte tief Luft und straffte ihre Schultern. Dann sprach sie sehr leise.
    „Ich bin durchaus Eurer Meinung, indes solltet Ihr derartige Äußerungen niemals in der Öffentlichkeit machen. Der Dienst habende Aufseher des AWA hasst zudem jede Form von weiblichem Widerstand.“
    Sie blickte Karin warnend in die Augen, und diese schluckte betroffen.
    „Ja, so sieht er auch aus. So ein Schwein. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Entschuldigen Sie bitte, ich habe etwas heftig reagiert, wir haben einiges durchgemacht“, murmelte Karin und ließ sich kraftlos auf ihre Pritsche fallen.
    Gegen dieses Regime hatten Frauen keine Chance. Noch nicht. Schweigend untersuchte Anna zuletzt Barbara. Dann überreichte sie uns eine Dose mit Salbe, die wir auf die Stiche auftragen sollten.
    „Ich habe noch niemals so große Mückenstiche gesehen“, sagte Anna und bewegte sich Richtung Tür, um uns zu verlassen. Wir enthielten uns eines Kommentars, doch ich wollte nicht, dass sie schon geht. Zu viele Fragen waren offen geblieben.
    „Müssen Sie wirklich schon gehen? Wann kommen wir hier heraus?“, rief ich ihr hinterher.
    Sie hatte mir Hoffnung vermittelt, und ich wollte noch mehr von der Kraft einsaugen, die sie zu verströmen schien. Lächelnd drehte sie sich noch einmal um, und in ihren Augen lag eine leichte Verwunderung gemischt mit Belustigung. Hatte ich etwas falsch ausgesprochen oder betont?
    „Ich werde morgen wiederkommen. Es steht noch nicht fest, wann man Euch entlassen wird und was man mit euch weiterhin zu tun gedenkt“, sagte sie, und dann legte sie einen Finger auf ihre Lippen.
    „Und denkt immer daran: Hütet Eure Zungen. Die Wahrheit kann an einem Ort wie diesem gefährlich sein.“
    Unvermittelt erschien vor meinem geistigen Auge erneut der Grabstein mit meinem Namen darauf, und ein eisiger Schauer durchrieselte mich.
     
    Der weitere Tag und nächste Morgen vergingen ereignislos, und schließlich wurde uns das Mittagessen gereicht. Appetitlos löffelte ich die lauwarme Wassersuppe, die nur nach Fett schmeckte. Das Stück

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