Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
hässlichen Schuhe?“ Angewidert deutete er auf ihre Turnschuhe.
„Freizeitschuhe. Sehr angenehm zu tragen“, konterte Anette frech.
„Hm“, grunzte er.
Er machte eine Handbewegung, und ehe ich es begriff, hatte einer der Wachleute meinen Arm gepackt und riss ihn in die Höhe. Ich verstand den Sinn dieser Handlung nicht und gab einen Ausruf des Unmuts von mir.
„Was ist das an Eurem Arm? Ein seltsames Armband, wie mir scheint.“
Meine Uhr. Die hatte ich total vergessen. Jetzt war guter Rat teuer, doch zunächst wollte ich, dass der widerliche Kerl seine Hände von mir nahm, und sprach es aus. Eine kurze Kopfbewegung des Dicken genügte, und der Mann ließ mich los. Erleichtert holte ich Luft und überlegte mir schnell die nächsten Worte.
„Eine Uhr. Habt Ihr noch nie eine Uhr gesehen?“
Er stutzte einen Moment ob meiner Frechheit und schnaubte.
„Für was haltet Ihr mich? Für einen Idioten? Uhren hängen an goldenen Ketten und nicht an Handgelenken.“
„Diese schon“, erwiderte ich, bevor sein Gesicht noch roter werden konnte. Ich hoffte, dass keine Franzosen in der Nähe waren, die unsere Notlügen hätten aufdecken können.
„In Frankreich sind sie bereits alltäglich.“
Arrogant hob ich die Nase, so dass er möglichst keine Spur von Unsicherheit entdecken konnte. Es funktionierte. Langsam nahm sein Gesicht wieder die rosa Ausgangsfarbe an, und ihm schien nichts mehr einzufallen, was er an uns auszusetzen haben könnte. Ich wiegte mich schon in Sicherheit, als er plötzlich die Augen zusammenkniff und seine Stimmlage um einiges an Höhe gewann.
„Was sind das für scheußliche Pusteln auf Eurer Haut, seid Ihr etwa krank?“
Ich zuckte zusammen. Wir alle waren mit jeder Menge Insektenstichen übersät. Man hielt uns womöglich für pockenkrank. Ich sah Hilfe suchend nach Barbara, und sie sprang für mich ein.
„Nein, mein Herr, das sind nur Mückenstiche.“
Der Mann schnaubte und schüttelte ungläubig den Kopf. Ich warf Barbara einen flehenden Blick zu, und sie sprach hastig weiter.
„Sehen Sie bitte genau hin, wir haben kein Fieber oder sonstige Anzeichen einer Krankheit.“
„Bis auf diese Beulen. Ich kann Euch nicht so herumlaufen lassen und warten, bis Ihr am Ende die ganze Stadt ansteckt. Quarantäne!“
Er schlug mit der Hand auf den Tisch, so dass ein geschlossenes Tintenfass hoch hüpfte, umfiel und über den Tisch rollte. Ich konnte nicht umhin, anzunehmen, dass diese Entscheidung aus reiner Machtdemonstration geschah, mit der er sich über sein sonst so ereignisloses Leben hinwegtrösten wollte. Mit einer ungeduldigen Handbewegung schickte er unsere Wächter vor die Tür und griff nach seiner Schreibfeder.
„Namen?“
Wir sahen uns betreten an, und ich entschloss mich, wegen unserer angeblich französischen Herkunft, meinen Nachnamen anzugeben.
„Lombard, Herr. Wir sind Kusinen.“
Er hob eine Augenbraue, zögerte einen Augenblick und begann dann langsam zu schreiben. Dabei betonte er jedes Wort, das er extrem langsam niederschrieb. Schreiben war offensichtlich nicht seine starke Seite, und ich vermutete, er würde sich jeden Moment die Zunge abbeißen.
„Isabel, Anette, Karin und Barbara Lombard werden heute, am 15. August im Jahre des Herrn 1790, im AWA zu Franckfurt am Mayn unter Quarantäne gestellt.“
Mir fiel die Kinnlade herunter. In meinen Ohren rauschte das Blut, und ich tastete nach Anettes Arm, um mich zu stützen. Was hatte er gesagt? 1790? Es war also wirklich geschehen! Wir waren nicht mehr in Zentralamerika und nicht mehr im Jahr 1980.
Ich hoffte, jeden Moment aus diesem Alptraum zu erwachen, doch selbst nachdem ich einen Fingernagel fest und schmerzhaft in das Nagelbett meines Daumens gedrückte hatte, hatte sich an meiner Lage nichts geändert.
Ein Wimmern ließ mich wieder zu mir kommen. Barbara lag am Boden. Die exakte Datumsangabe war zu viel für sie gewesen. Karin kniete neben ihr und versuchte sie zu beruhigen, als plötzlich der Mann hinter dem Schreibtisch mit ungeahnter Behändigkeit aufsprang, nach den Wachen rief und uns anschrie.
„Ach, ich denke, Ihr seid gesund? Und warum krümmt sie sich dann auf dem Boden? Sie hat Krämpfe. Wachen! Sofort abführen!“
Er war außer sich und bekreuzigte sich immerfort. Keine Panik, dachte ich, Zeitsprünge sind meinem Wissen nach nicht ansteckend. Allerdings, was wusste ich schon?
Die anderen Männer stürmten herein und packten uns an den Armen. Barbara wurde hochgezerrt und unsanft
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