Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
abgeneigt“, sagte er und grinste.
Ich legte ein Laken zusammen.
„Ich glaube es fast auch. Hast du mit ihm über Karin gesprochen?“
„Natürlich. Glaubst du etwa, nur Frauen führen solche Gespräche?“
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Was hat er denn gesagt?“
„Das möchtest du wohl gerne wissen?“
Ich hielt seinem herausfordernden Blick stand, und er entschloss sich schließlich weiterzusprechen.
„Er wollte wissen, wie alt sie ist. Als ich ihm sagte, sie sei siebenundzwanzig und ledig, ist er beinahe an seinem Apfelwein erstickt.“
„Warum denn das?“
Ich nahm ein Laken von der quer durch den Raum gespannten Leine, gab Jack das andere Ende in die Hand und ließ mir von ihm beim Zusammenlegen helfen.
„Weil es hier nicht gerade üblich ist, dass eine Frau in diesem hohen Alter noch zu haben ist, ohne verwitwet zu sein, und weil Karin für die hiesigen Verhältnisse viel jünger als siebenundzwanzig aussieht.“
Was für Karin galt, galt für uns alle, und ich stellte mir vor, wie die ganze Stadt sich über uns wundern musste. Nachdenklich ging ich mit meinem Ende des gebleichten Leintuches auf Jack zu und führte es mit den ausgebreiteten Enden in seinen Händen zusammen. Natürlich wollte ich wissen, wie er das Johannes auseinander gesetzt hatte. Er zuckte lässig die Achseln, als wäre die Antwort ein Kinderspiel und im Übrigen völlig logisch.
„Ich habe ihm einfach gesagt, dass unserem Onkel kein Freier recht gewesen sei, und Johannes nickte mitfühlend. Die Armen, sagte er, schon so alt und noch keinen Ehemann.“
Wir lachten, und in Jacks Augen trat ein vertrauter Ausdruck, so dass ich meinen Blick auf die Wäsche in meiner Hand richtete.
„Falls aus den beiden ein Paar wird, was macht sie dann mit ihm, wenn wir wirklich wieder nach Hause gehen können?“, sagte ich und nahm ein neues Laken.
Er antwortete nicht. Ich drehte mich zu ihm um, damit ich den Grund seines Schweigens herausfinden konnte. Gedankenverloren spielte er mit einem kleinen Handtuch, ließ es sinken, als er meinen Blick bemerkte.
„Dann hat sie ein Problem. Und was machen wir, wenn wir wieder zu Hause sind?“
Wir? Ich forschte in seinem Blick, doch sein Gesicht blieb abwartend und seltsam ausdruckslos. Ich entschied mich für die Wahrheit.
„Wir? Was ich mache, weiß ich jedenfalls“, sagte ich überheblicher, als beabsichtigt.
„Und was ist das bitte?“, fragte er ebenso überheblich und warf das kleine Handtuch in einen Korb.
„Ich gehe natürlich zu Robert“, sagte ich, ohne ihn anzusehen, und beschäftigte mich andächtig mit der Wäsche.
Ich schrak zusammen, als er plötzlich einen Satz um den Wäschekorb machte und mich fest am Handgelenk packte. Seine Nase berührte die meine, und ich spürte seinen Atem auf meiner Stirn.
„Das sag mir ins Gesicht!“
Mein Herz klopfte gegen meine Brust. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er sprach Englisch wie immer, wenn er verwirrt oder aufgeregt war. Durch den Ausdruck in meinem Gesicht alarmiert, ließ er locker, aber nicht los. Ich versuchte mich herauszuwinden, hatte aber keine Chance gegen ihn. Er sah mich fest an und ignorierte meine Drehungen und Wendungen. Ich gab auf, da mein Handgelenk schmerzte. Ich traute mich nicht, meine Worte zu wiederholen, aber Angriff war schon immer die beste Verteidigung.
„Das würde ich ja gerne, aber ich habe Angst, du brichst mir den Arm.“
Er zögerte, und in seinem Gesicht zuckte ein Muskel. Ruckartig ließ er mich los. Ich rieb das schmerzende Handgelenk und war erleichtert. Zwar hatte ich keine Angst vor ihm, doch seine körperliche Kraft war erheblich größer als meine, so dass mir unwillkürlich das Adrenalin durch die Adern schoss.
„So. Jetzt kannst du es sagen. Sag es.“
Er sprach gefährlich leise. Seine Augen glänzten, sein Blick war bohrend, und ich bekam Magenschmerzen. Würde ich es sagen, hätte ich seine Freundschaft für immer verloren. Es war wie ein Ultimatum, und die Uhr tickte. Ich fühlte mich in der Falle.
„Was fällt dir ein, mich so unter Druck zu setzen?“, rief ich und trat etwas zurück, um den Sicherheitsabstand zu erhöhen. „Was glaubst du, wer du bist?“, ergänzte ich wütend.
„Ich bin der Mann, der für dich da ist, dich tröstet und beschützt. Ist er etwa hier? Nein, kann er auch gar nicht, denn er wurde noch nicht einmal geboren“, rief er völlig außer sich.
Jetzt war ich richtig wütend. Was nahm er sich
Weitere Kostenlose Bücher