Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
der Tagesordnung stand. Er trug es, ähnlich wie Jack, meist zurückgebunden.
„Wir wollten nur ein gutes Geschäft begießen“, sagte er entschuldigend und grinste breit.
Karin musterte ihn gedankenversunken. Oh, oh.
Johannes sprach ein gepflegtes Hochdeutsch, er hatte sicher eine gute Schule besucht. Jack war nun schon eine halbe Stunde verschwunden, und langsam fing auch ich an, mir Sorgen zu machen. Vielleicht war ihm auch noch übel geworden. Aber sollte ich Karin mit Johannes allein lassen? Entweder es wäre ihr peinlich, oder sie wartete bereits darauf. Prüfend sah ich sie an. Sie zog ungeduldig die Brauen hoch, und mir stieg Hitze in die Wangen. Ich Idiotin! Taktgefühl war nicht gerade meine starke Seite.
„Ich gehe mal nach Jack sehen“, sagte ich hastig und verließ den Raum, bevor Johannes meinen Blick auffangen konnte.
Ich blieb ein paar Meter vor dem Häuschen stehen und ließ mir die Sonne auf das Gesicht brennen. Es war kein Laut zu hören.
„Jack, geht es dir noch gut?“
„Danke der Nachfrage. Die Krämpfe lassen nach, glaube ich“, sagte er gedämpft hinter dem Bretterverschlag.
„Warum tust du dir das immer wieder an? Bist du ein Masochist?“
„Nun, Mönche geißeln sich von Zeit zu Zeit, und ich ... na ja.“
Ich lachte. Sich ausgerechnet mit einem Mönch zu vergleichen erschien mir der Gipfel der Blasphemie.
„Johannes macht sich schon Sorgen. Du solltest dich beeilen, ich habe ihn mit Karin allein gelassen.“
„Gut Ding will Weile haben.“
„Wo hast du denn den Spruch her?“
„Von Johannes. Er steckt voller altdeutschem Sprachgut. Ich habe schon viel von ihm gelernt.“
„Das ist ja toll, aber pass auf, dass er nicht so viel von dir lernt, sonst ist er nicht mehr gesellschaftsfähig“, sagte ich lachend. „Ich gehe jetzt und stricke dir ein härenes Hemd für deine Selbstkasteiungen.“
„Ein was?“
„Das lass dir von Johannes erklären“, sagte ich und ging zurück zum Haus.
Leise schlich ich mich ans Kontor heran, doch es war niemand mehr da. Ein Sandelholzduft hing noch in der Luft, was die vorherige Anwesenheit von Johannes verriet. Ich nahm an, dieser Duft steckte in seinem Rasierschaum. Ein Parfüm benutzte er nicht, denn wir hatten bereits gelernt, dass so etwas nur Gecken taten, und zu dieser Sorte Mann gehörte Johannes nicht.
Ich ging ins Wohnzimmer, wo Karin mit den anderen zusammensaß. Sie waren mit Handarbeiten beschäftigt, und als ich eintrat, kam mir eine heimelige Wärme entgegen. Karin errötete, als ich sie angrinste. Ich unterdrückte ein Lachen und entschuldigte mich.
„Tut mir leid, ich merke doch immer als Letzte, was los ist. Ist er schon gegangen?“
„Schon okay“, sagte Karin lächelnd. „Ja, er musste gehen. Wir sollen Jack von ihm grüßen. Ist das nicht ein Traummann?“
Sie ließ die Stickarbeit mit dem entzückenden Muster eines röhrenden Hirsches im Walde sinken, und die Begeisterung zauberte kleine goldene Funken in ihre rehbraunen Augen.
„Er sieht sehr gut aus, ja. Und nett ist er auch“, gab ich unverhohlen zu.
Sie atmete tief und blickte verträumt an die von Ruß geschwärzte Zimmerdecke, wobei sie den halb fertigen Hirsch an ihre Wange drückte.
„Er sieht aus wie Mel Gibson“, sagte sie und seufzte tief.
Barbara und Anette prusteten vor Lachen und stellten Vermutungen darüber an, was er wohl sonst noch für Qualitäten haben könnte, als Karin plötzlich ernst wurde.
„Er macht mir Avancen, aber wir haben keine Zukunft. Ich werde irgendwann wieder von hier fortgehen und würde ihm damit das Herz brechen.“
Resigniert ließ sie die Schultern sinken, und wir verstummten betroffen. Ich seufzte, griff nach einer eingerissenen Schürze und suchte mir Nadel und Faden zusammen. Es gab weiß Gott schon genug Komplikationen.
Am späten Nachmittag ging ich in den Wäscheraum, um die frischen Laken von der Leine zu nehmen. Es war bereits Oktober und ein warmer Tag, doch die Luft war schon am frühen Nachmittag zu feucht, um draußen im Hof Wäsche zu trocknen. Der Wäscheraum befand sich ebenfalls im unteren Teil des Hauses, und Jack hatte mich hineingehen sehen, als ich am Kontor vorbeikam.
Schlendernd trat er ein und griff gedankenlos nach einem von mir bereits zusammengelegten Wäschestapel.
„Hey, geh mir nicht an die Wäsche“, sagte ich scherzend und nahm ihm das Betttuch aus der Hand.
„Da fällt mir ein, Karin scheint es mächtig erwischt zu haben, und Johannes ist wohl auch nicht
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