Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Entscheidung als richtig. Unsere Krankenschwester wusste, was zu tun war.
Nachdem ich mich fast jede Nacht heimlich in Jacks Zimmer geschlichen hatte, beschlossen wir, das Risiko einzugehen und mit dieser Farce aufzuhören. Ich wechselte ebenfalls das Zimmer. Wir stellten bei Jack ein breiteres Bett auf, und Karin und Anette hatten das Schlafzimmer jetzt für sich. Anna interessierte sich in ihrem Zustand nicht dafür, ich glaubte nicht, dass sie es überhaupt bemerkt hatte. Doch die Angestellten tuschelten in jeder Ecke, und wir entschlossen uns daher zu einem klärenden Gespräch.
Jack und ich führten mit der Köchin und gleichzeitigem Oberhaupt aller Angestellten in ihrem Revier, der Küche, die brenzlige Unterhaltung. Maria stand mit vor der Brust verschränkten Armen und resolutem Gesichtsausdruck vor uns. Eine uneinnehmbare Festung.
„Maria, wir möchten, dass Ihr dem Personal Folgendes sagt: Kusine Isabel und ich sind verlobt. Eine Heirat kommt in der Trauerzeit nicht in Frage, aber dennoch leben wir ab sofort im selben Zimmer.“
Jack straffte seinen Oberkörper, was ihn noch größer wirken ließ. Mir wurde klar, wie unbehaglich er sich bei diesem Gespräch fühlen musste, doch seine Stimme verriet nichts davon, sondern klang bestimmend und autoritär. Maria schnappte nach Luft, doch Jack ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Es liegt in Eurer Verantwortung, das Personal zum Schweigen zu bringen. Ich hoffe, ich kann mich auf Euch verlassen.“
Sein durchdringender Blick ließ keinen Widerspruch zu, doch Maria war nicht auf den Mund gefallen. Sie wurde krebsrot im Gesicht und erinnerte an einen Dampfkochtopf kurz vor der Explosion.
„Bisher haben die Herrschaften sich immer auf mich verlassen können. Was sagt Frau Göttmann dazu?“
Sie stemmte die Hände gegen die Hüften und blitzte Jack herausfordernd an. Er sah etwas hilflos aus, und ich erkannte, dass er kein Wort von dem schweren hessischen Dialekt, den die Frau sprach, verstanden hatte. Anscheinend sie nicht aus Frankfurt, wo man das Hessische in etwas abgeschwächter Form sprach, sondern aus dem Umland, wo es so viele Dialekte wie Dörfer gab. Schnell sprang ich ein.
„Frau Göttmann ist im Moment nicht in der Lage, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, aber wir wissen, dass sie unserer Ansicht ist. Ihr kennt ja selbst das Problem mit der Zimmerknappheit in diesem Haus“, sagte ich mit fester Stimme.
Kein besonders gutes Argument, da durch meinen Umzug kein Zimmer frei werden würde. Ich hoffte, dass Maria nicht lange diskutieren würde. Ihre Gesichtsfarbe kehrte in den normalen Bereich zurück, doch sie war noch immer entrüstet.
„Wenn der Herr noch leben täte, da hätt’s so was nie gegeben“, jammerte sie.
„Können wir uns auf Euch verlassen?“, fragte ich beharrlich.
„Gewiss, Frau Lombard“, sagte sie förmlich mit beleidigtem Gesichtsausdruck, drehte sich um und verließ mit kleinen, flinken Schritten die Küche. Beim Hinausgehen murmelte sie etwas von „Sodom und Gomorrha ...“.
Wir sahen uns ratlos an. Nie und nimmer wird das klappen, dachte ich, doch es wäre dasselbe Resultat gewesen, hätte ich mich weiterhin Nacht für Nacht zu Jack geschlichen. Mit Sicherheit hatte man mich längst dabei beobachtet. Dieses Haus hatte tausend Augen. Ständig begegnete ich scheinbar zufällig jemandem in den Fluren. Manchmal bekam ich das paranoide Gefühl, sie wussten sowieso alle Bescheid. Leise Geräusche vor der Tür und das Gefühl von huschenden Schatten um die nächste Ecke, wenn ich einen Flur betrat, waren nur einige meiner seltsamen Beobachtungen.
Die Verlobung war Jacks Idee gewesen. Ich zweifelte gleich an der Wirksamkeit dieser Methode, wenn schon, dann hätten wir heiraten müssen, aber so weit wollten wir nun auch nicht gleich gehen. Irgendwie war das hier nicht das richtige Leben, unser richtiges Leben, obwohl sich in nächster Zeit sicher nichts ändern würde.
Ich hoffte inständig auf das Schweigen der Angestellten, ohne wirklich daran zu glauben. Wahrscheinlich konnte man die Ungehörigkeit, dass zwei nicht Verheiratete in einem Zimmer schliefen, schon morgen bei jedem Barbier hören. Wie viel leichter wäre alles, wenn wir Anna hätten einweihen können.
Wir hätten ihr gern alles erzählt, denn hätte das Schicksal – oder ein gewisser Indio? – nicht dafür gesorgt, dass wir ihr zur Seite standen, dann wäre sie wahrscheinlich schon in größten Schwierigkeiten. Vor allem finanziell. Wem hätte
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