Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
hinterlegen. Die Erbfolge war unstrittig, denn Anna war seine rechtmäßige Frau, und der gesamte Besitz würde in ihre Hände fallen, aber sie machte sich darüber Sorgen, dass er vielleicht noch andere Personen bedacht hatte, die nichts darüber erfahren würden, wie zum Beispiel den Lehrjungen, der ihm sehr ans Herz gewachsen war, oder Georg, den Kutscher. Außerdem hoffte sie, er habe einen Verwalter für das Kontor bestimmt, damit sie sich in ihrer Trauer nicht um geschäftliche Belange würde kümmern müssen, denn Jack würde sicher nicht für immer hier bleiben, auch wenn sie wünschte, es wäre so.
Sie bat uns daher, im Kontor nach dem Testament zu suchen. Zusammen mit Karin und Anette durchwühlten wir Akten und Schubladen, bis Jack schließlich fündig wurde. Es war ganz in Annas Sinne verfasst. Friedrich vermachte ihr seinen Besitz und gab ihr eine Vollmacht über seine Konten. In liebevoller Fürsorge hinterließ er dem Kutscher, sowie dem Lehrjungen, den er so sehr gemocht hatte, etwas Geld. Einen Verwalter für das Kontor hatte er nicht erwähnt.
Jack wollte die Akte schließen, als ihm weiter hinten ein Papier auffiel, das er sich genauer ansah.
„Sieh einer an, der gute alte Friedrich hatte es faustdick hinter den Ohren.“ Mittlerweile hatte er Übung darin, die alte Handschrift zu lesen, wenn sie klar war.
Auf meinen erstaunten Blick hin überreichte er mir das Schriftstück.
„Das ist ja ein Schuldschein“, sagte ich verblüfft.
„Und wenn ich ihn richtig entziffert habe, von eurem Freund, dem Verwalter des Armenhauses, namens Gunther Schreiber.“
Mit Erstaunen lasen wir den Schuldschein, der darüber Auskunft gab, dass Friedrich Schreiber eine recht große Geldsumme geliehen hatte, die bereits seit zwei Jahren zur Rückzahlung fällig war. Korrekt, wie Friedrich seine Bücher stets geführt hatte, hätte er ihn zurückgegeben, wäre er inzwischen bezahlt worden. Ich amüsierte mich darüber, dass der Mann mit dem Schweinsgesicht ausgerechnet Schreiber hieß, obwohl er dieser Kunst kaum fähig war, bis mir klar wurde, warum Friedrich die Schuld nicht eingetrieben hatte.
„Wahrscheinlich hielt Friedrich es für besser, für den Notfall einen Mann wie ihn in der Hand zu haben“, vermutete ich.
„Daher benahm er sich auch so unterwürfig Anna gegenüber, als sie uns aus dem AWA holte. Er hätte sich nie gewagt, ihr zu widersprechen, sehr clever von Friedrich“, folgerte Anette.
„Und ein wirklich reicher Mann war er noch dazu“, sagte Jack, der sich inzwischen die Kontobücher vorgenommen hatte.
Karin wirkte schuldbewusst. Ich fing ihren Blick auf, und sie lächelte mühsam.
„Dürfen wir hier eigentlich so herumschnüffeln? Ich komme mir ziemlich unbehaglich dabei vor.“
„Friedrich ließ sich doch vor seiner Abreise von Jack versprechen, sich um alles zu kümmern“, sagte ich und bekam eine Gänsehaut. „Sieht fast so aus, als ...“
„... als hätte er so etwas geahnt“, sprach Jack meinen Satz zu Ende.
„Ob das schon wieder mit uns und der Zeitreise zu tun hat?“, fragte Anette und blätterte in einem Stapel Papier.
„Bestimmt“, sagte ich. „Nichts geschieht hier zufällig, habe ich den Eindruck.“
„Seht mal, was ich gefunden habe“, rief Anette aufgeregt.
Sie hielt einen Brief in ihren Händen und reichte ihn mir. Ich las ihn vor.
Mein verehrter Herr Göttmann,
da ich Euch bedingungslos vertraue, lege ich diesen Schatz in Eure Hände. Ich weiß leider nur so viel darüber, als dass ich es von einem Wilden in der Neuen Welt erhalten habe und es ihm sehr wichtig war. Der Mann war völlig außer sich. Man hatte seine Familie getötet, und ich fürchte, es waren meine Leute. Die Ereignisse überrollten uns. Ich habe das nie gewollt. Aber sie wollten Blut sehen, und ich konnte sie nicht aufhalten.
Er gab mir dieses Erbe seines Volkes und sagte, ich müsse es unbedingt von hier fortbringen, damit es nicht in falsche Hände gerate. Täte ich es nicht, käme Tod und Verderben über meine Familie. Daher bitte ich Euch dringend, es niemandem zu geben und es bis zu meiner Rückkehr aufzuheben. Sollte ich nicht zurückkehren, vergrabt es und holt es nie mehr hervor, damit der Fluch unwirksam bleibt.
In Dankbarkeit
Ewig Euer Freund und Diener Wilhelm Brandau
P.S: Das Gemälde wurde von einem meiner Leute angefertigt. Es zeigt den bedauernswerten Wilden, der mir vertraute. Ich glaube nicht, dass er überlebte. Gott vergebe mir.
Ich ließ den
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